TTB 102: Die Wächter der Sternstation
sah ihm offen ins Gesicht. »Nun, die Bewohner von Lagwich waren zunächst etwas mißtrauisch, weil sie unseren Friedensbeteuerungen nicht recht glaubten. Aber unterdessen sind sie davon überzeugt, daß wir nicht ihretwegen gekommen sind. Sie haben die Wahrheit erraten und geben sie natürlich an unsere Soldaten weiter.«
»Und wie sieht diese Wahrheit Ihrer Meinung nach aus, Yan?« Der Herzog senkte seine Stimme zu einem heiseren Flüstern.
»Daß Sie in die Wüste eindringen und vielleicht sogar hindurchmarschieren wollen, ohne sich um die Teufel und Ungeheuer zu scheren.«
»Und das hören die Männer in Lagwich?«
Yanderman nickte zustimmend. Er empfand eine gewisse Erleichterung, weil er hoffte, daß er sich geirrt hatte, nachdem der Herzog ehrlich erstaunt zu sein schien.
Aber Herzog Paul erhob sich und ging im Zelt auf und ab.
»Was halten Sie denn von diesem Plan?« erkundigte er sich schließlich.
»Ich?« fragte Yanderman überrascht. »Ich finde, daß er gleichzeitig grandios und ... und lächerlich ist.«
»Warum?« Der Herzog drehte sich zu ihm um. »Die Wüste gleicht doch einer Pestbeule in dieser friedlichen Umgebung, nicht wahr? Sie existiert schon viel zu lange. Man müßte etwas dagegen tun – aber zuerst muß festgestellt werden, was die Wüste wirklich ist. Bevor der alte Trottel Rost mir seinen ›Teufel‹ zeigte, wollte ich nur einige Spähtrupps am Rand entlangschicken und mich damit zufriedengeben, die Einwohner der Stadt auszufragen. Aber wenn in der Wüste tatsächlich Menschen leben, Yan, ist es dann nicht allmählich Zeit, daß jemand den armen Kerlen zur Hilfe kommt?«
»In der Wüste leben ... Oh, das meinen Sie also. Hmm!« Yanderman rieb sich das Kinn und dachte einen Augenblick lang nach. Dann schüttelte er aber doch den Kopf. »Die Erklärung klingt plausibel genug, aber ich bin nicht völlig davon überzeugt. Ich glaube immer noch, daß Rosts ›Teufel‹ aus Versehen in die Wüste geriet und hier wieder herauskam. Und ... wie beurteilen Sie eigentlich die Aussichten, daß unsere Männer mit Ihnen marschieren, anstatt davonzulaufen, wenn sie das Ziel erfahren?«
»Ausgezeichnet«, antwortete der Herzog bestimmt. »Ich habe mir meine Leute nicht aus den Taugenichtsen zusammengesucht, sondern die besten und tapfersten Männer genommen, die ich finden konnte. Deshalb habe ich auch Sie ausgewählt, Yan, falls Sie sich noch erinnern.«
»Genau das wollte ich auch erwähnen«, antwortete Yanderman. »Sie müssen entschuldigen, wenn ich Ihnen offen meine Meinung sage. Dies ist keine gewöhnliche militärische Operation, sondern ein nie dagewesenes Unternehmen. Ich bin davon überzeugt, daß die Hälfte der Männer auf der Stelle meutern und ihre Waffen niederlegen werden, wenn der Befehl zum Abmarsch erteilt wird. Und die andere Hälfte wird die Meuterei zum Anlaß nehmen, um ebenfalls den Gehorsam zu verweigern. Unsere Leute haben in Lagwich schon zu viele Schauermärchen zu hören bekommen.«
Herzog Paul blieb unbeweglich stehen und starrte Yanderman ins Gesicht. Aber als er sprach, klang seine Stimme so gleichmäßig und fest wie zuvor.
»Vertrauen Sie auf meine Urteilsfähigkeit, Yan? Wenn Sie es nicht tun – warum sind Sie dann überhaupt mitgekommen?«
Yanderman spürte, daß ihm der Schweiß auf der Stirn stand. »Sie haben mich mißverstanden, Sir«, gab er zurück. »Ich erkenne selbstverständlich an, daß Sie das Heer auch bis in die Hölle selbst führen könnten, wenn es sich als notwendig erweisen sollte. Aber trotzdem möchte ich Sie davor warnen, die gegenwärtige Stimmung der Leute zu unterschätzen.«
»Nun, das haben Sie gründlich genug getan«, meinte Herzog Paul. »Ich werde dafür sorgen, daß sie sich irgendwie mit diesem Gedanken abfinden.«
»Vielleicht wäre es ganz nützlich, wenn man ihnen einige Einzelheiten des Vorhabens erklären würde«, schlug Yanderman vor. »Wie sollen zweitausend Mann durch eine Wüste marschieren, in der es weder Brennstoff noch Nahrung noch Wasser gibt?«
Wieder summte die Fliege an dem Herzog vorbei, nachdem sie einige Minuten lang auf seiner Couch gesessen hatte. Er schlug nach ihr, traf sie nicht und sprach weiter.
»Die Wüste hat einen Umfang von etwa dreihundert Meilen, das heißt, einen Durchmesser von nicht mehr als hundert. Eine etwa vorhandene Ansiedlung müßte ungefähr in der Mitte liegen, schätze ich. Deshalb werden wir vollbepackt losmarschieren und am Ende des ersten Tages die Hälfte der
Weitere Kostenlose Bücher