TTB 102: Die Wächter der Sternstation
beobachtete.
»Hör zu, Fauler Conrad«, fiel Idris' Mutter jetzt über ihn her. »Idris verzichtet von heute an dankend auf jede Belästigung von deiner Seite, hast du das verstanden? Und ich will dich auch nicht mehr hier sehen; meine Tochter ist mir viel zu gut für einen nichtsnutzigen Seifensieder! Wenn ich dich noch einmal an dieser Tür erwische – außer wenn du Asche abholst –, dann bekommst du es mit dem Besenstiel, ist das klar?«
Ja. Es war Conrad nur allzu klar. Es war jedem jungen Mann in Lagwich klar, dessen Mädchen eine ehrgeizige Mutter hatte, und der noch nicht offiziell mit ihr verlobt war. Dieser Mann, der jetzt hinter Idris stand und sich den schwarzen Schnurrbart zwirbelte, war in den Augen des Mädchens eine erstklassige Partie. Sämtliche Mütter von Lagwich schienen den Ehrgeiz zu haben, ihre heiratsfähigen Töchter mit einem Soldaten des Herzogs von Esberg zu verloben.
Conrad sah Idris an. Idris warf einen Blick auf den Soldaten aus Esberg, einen auf ihre Mutter und schließlich wieder auf Conrad. Sie konnte seinem Blick nicht standhalten, sondern sah zu Boden und wurde rot.
Conrad wandte sich wortlos ab. Hinter ihm fiel die Tür ins Schloß.
Entweder hatte sich das gesamte Universum gegen ihn verschworen, oder er wurde allmählich verrückt. Er hatte das Ding aus der Wüste getötet – oder etwa nicht? Aber als er zurückgekommen war, konnte er den Kadaver nicht mehr als Beweis für seine Behauptungen vorweisen. Nur die zertrümmerten Seifenkessel und der Aschehaufen waren noch an Ort und Stelle. Die anderen hätten ihn zuerst beinahe aus Wut darüber verprügelt, daß er sie an der Nase herumgeführt hatte; aber dann lachten sie ihn doch nur aus, bis er verzweifelt floh.
Mußte sein ganzes Leben aus Enttäuschungen bestehen?
Er ging langsam die Straße hinunter, bog dann aber rasch in eine kleine Gasse ein, als er einige junge Leute kommen sah. Gelegentlich begegnete er auch Soldaten, die auf dem Weg zu Familien waren, von denen sie eine Einladung zum Essen erhalten hatten. Sie alle schritten stolz und hochmütig an ihm vorbei, als wollten sie ihre Überlegenheit über die Bürger von Lagwich allein schon durch ihren Gang zum Ausdruck bringen.
Arrogante Trottel, dachte Conrad verbittert. Vom Herzog angefangen bis zum letzten Pferdeknecht, benahmen sie sich alle, als seien sie bereits Halbgötter, weil sie in Esberg auf die Welt gekommen waren.
Vielleicht war es doch besser, wenn er in die Wüste ging – sein Vater hatte ihn schon oft genug dorthin gewünscht.
Sollte er in die Wüste gehen?
Er blieb mitten auf der Straße stehen. In diesem Augenblick erkannte er mit einemmal völlig klar, was die Gerüchte zu bedeuten hatten, die er in den letzten Tagen aufgeschnappt hatte.
In die Wüste! Selbstverständlich! Wenn er jemals Lagwich endgültig den Rücken kehren wollte, dann mußte er es jetzt tun, solange er noch Gelegenheit dazu hatte. Vielleicht bot sich diese Chance nie wieder.
*
Am folgenden Morgen stand Conrad leise auf, um seinen Vater nicht zu wecken, der, wie üblich, volltrunken nach Hause gekommen war und jetzt in seiner Ecke schnarchte. Am vergangenen Abend war Conrad zum Fluß hinuntergegangen und hatte sich von Kopf bis Fuß so gründlich gewaschen, als sei heute Erntedankfest. Jetzt sortierte er die wenigen Kleidungsstücke, die er sein eigen nannte, und wählte die am wenigsten zerrissenen aus; einige davon stammten noch aus seiner Jugendzeit und waren nun schon reichlich eng geworden, aber er mußte mit dem zufrieden sein, was er hatte.
Dann holte er aus seinem Versteck einen Sack mit der feinen weißen Seife, die er dort verborgen hatte, weil er den Soldaten aus Esberg hatte Seife verkaufen wollen. Leider hatte dieser Plan sich nicht verwirklichen lassen. Allein der Verlust von zwei Kesseln bedeutete, daß er nicht mehr Seife herstellen konnte, als die Stadt jede Woche brauchte. Dazu kam, daß er sich seit dem Vorfall mit dem von ihm erlegten Ding kaum noch in die Häuser wagte, um dort Asche und Fett abzuholen, weil er überall ausgelacht und verspottet wurde.
Aber diese kleine Menge guter Seife sollte er nicht verkaufen; sie sollte nur beweisen, daß er wirklich ein guter Seifensieder war. Conrad hatte sich allerdings noch nicht überlegt, wie er davon Gebrauch machen konnte. Vielleicht war es am besten, wenn er einfach in das Lager ging und dort sagte, daß er sie dem Herzog schenken wolle.
Vorläufig verschob er die Entscheidung noch.
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