TTB 118: Die schlafende Welt
der er war, spielte er hier das älteste Spiel der Geschichte, in dem sein erster Fehler auch sein letzter sein würde.
Die nackte Angst war zu seinem Begleiter geworden, seit er Baxter verlassen hatte; ein Entsetzen, das dicht unter der Oberfläche lauerte und ihn zuweilen zu ersticken drohte. Doch trotz der Depressionen angesichts der Aussichtslosigkeit seines Schicksals, lehnte sich etwas in ihm auf und zeigte Entrüstung über die Behandlung, die man ihm hier zukommen ließ. Wofür hielten sich diese Larrys eigentlich? Welches Recht hatten sie, diesen Planeten einfach zu besetzen? Welches Recht hatten sie, den Jäger zu jagen?
Doch gleichzeitig wußte er die Antwort: das Recht des Stärkeren. Niemand stellte sich ihnen in den Weg. Keine terranischen Raketen, Kriegsroboter oder Truppen – gar nichts.
Nur er – mit einem Jagdgewehr in der Hand und dreiundzwanzig Schuß Munition in der Tasche.
Das waren nicht gerade die besten Trümpfe.
Der Panzerwagen verschwand um eine Kurve. Rierson wartete. Er kannte die Gewohnheiten der Larrys inzwischen gut genug, um zu wissen, daß dem ersten noch ein zweiter Panzerwagen folgen würde, nahe genug, um jeden zu erspähen, der nach dem ersten Fahrzeug die Straße überqueren würde.
Und gleich darauf brummte tatsächlich der zweite Wagen vorbei.
Mit einem dritten Wagen war nicht zu rechnen. Das hätte auch keinen Sinn mehr gehabt, und man hätte die Reihe der Suchfahrzeuge ins Endlose verlängern können. Rierson sprang auf, huschte über die Straße und verschwand in der Deckung des Unterholzes auf der anderen Seite. Er verhielt einen Augenblick. Das Dickicht lichtete sich vor ihm, machte einzeln stehenden Bäumen Platz, und er begann von Stamm zu Stamm zu springen, machte lange Pausen, hielt Ausschau und lauschte. Das Gewehr hielt er schußbereit. Lichtungen wie diese wurden von den Schläfertrupps bevorzugt, llralanischen Patrouillen, die sich in den Wäldern eingruben und lautlos auf ihr Opfer – ihn – warteten.
Doch es stellte sich heraus, daß auf dieser Seite des Waldes keine Llralaner zu finden waren. Er wußte nicht, ob sie ihn vielleicht in eine Falle locken wollten; aber im Augenblick blieb ihm nichts anderes übrig, als der Richtung nach Baxter zu folgen und dabei vielleicht den Feinden geradewegs in die Arme zu laufen.
Er hatte es nicht mehr weit. Er war erst achtzig Kilometer weit gekommen, als sie ihn zur Umkehr zwangen. Seitdem hatten sie ihn langsam zurückgedrängt, so daß er keine drei Kilometer mehr vom Stadtrand entfernt sein konnte. Er war müde und hungrig. Seine Nahrung hatte hauptsächlich aus Speiseresten bestanden, die er auf alleinstehenden Bauernhöfen gestohlen hatte. Spannung, Furcht, Mangel an Nahrung und Schlaf hatten ihn bis zur Grenze seiner Leistungsfähigkeit erschöpft.
Seine Gedanken begannen sich bereits zu verwirren, doch eins war völlig klar. Er mußte sich von den Larrys fernhalten.
Linker Fuß, rechter Fuß, nach oben schauen, nach hinten schauen, zur Seite schauen. In Bewegung bleiben.
Wenn du anhältst, schläfst du ein. Wenn du einschläfst, wirst du gefangen. Und Gefangenschaft bedeutet den Tod.
Es war am fünften Abend, nachdem er den Larry auf dem Dach der Sonntagsschule erschossen hatte, als er das Haus fand. Es war ein rechteckiges zweigeschossiges Gebäude, das eine kreisförmige Landefläche besaß und eine Garage neben dem Hauptgebäude. Die Lichtung, auf der das Haus stand, war gut zu überschauen.
Er wartete die Dunkelheit ab, ehe er sich zum Handeln entschloß. Der Hunger besiegte seine Vorsicht, und er schritt kühn die Stufen zur Haustür hinauf, die nicht abgeschlossen war.
Er trat ein.
Er befand sich in einem Flur, der aus einem anderen Jahrhundert zu stammen schien – mit einem offenen Kamin und überladenen Möbeln. Der einzige Stilbruch in dem ansonsten geschmackvoll eingerichteten Zimmer war eine schwere Stahltür, die in die unechte Holzvertäfelung der Wand eingelassen war.
Rierson betätigte den Türgriff, und die Stahlwand schwang auf ungeölten Scharnieren nach innen. Vor ihm erstreckte sich eine Treppe. Unten stieß er auf eine zweite Tür, die in einen kleinen, vollständig ausgerüsteten Luftschutzbunker führte.
Auf einer der Pritschen lag ein alter Mann von etwa neunzig Jahren. Auf dem Boden kauerte regungslos eine etwa gleichaltrige Frau. Rierson untersuchte die beiden und stellte dieselben Symptome fest wie bei den Männern an. der Raststätte. Er hob die zerbrechliche Frau
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