TTB 118: Die schlafende Welt
hypothetischen Mittel basierte, das eine monatelange Bewußtlosigkeit verursachte. Über dieser faszinierenden Beschäftigung gewann er auch seiner Schreibtischarbeit einen neuen Reiz ab, und er ging plötzlich mit einer Energie an die Arbeit, die er seit langem in sich erstorben glaubte. Sein Hobby wurde zur Besessenheit, und er begann bereits zu glauben, daß er auf Risstair nicht alt werden würde. Kenntnisse, die er seit seinen Tagen im Transportdienst nicht mehr angewendet hatten, wurden aufgefrischt. Hundert, tausend Eroberungspläne mit Zeitangaben wurden aufgestellt und wieder verworfen. Martak Sarno hatte dem Leben eine neue Seite abgewonnen.
Er hatte plötzlich den Mut, seinen Rang auszunutzen und sich Zugang zu den Komputern des risstairischen Raumhafens zu verschaffen und seine eigenen Invasionsberechnungen solange von den Maschinen kontrollieren zu lassen, bis sie schließlich stimmten.
Eines Tages hatte er es schließlich geschafft. Die Zahlen stimmten genau – Schiffe und Männer, Versorgungsgüter und Waffen, Zeitpläne und Entfernungen. Er hatte alles bis zur xten Stelle berechnet, und verspürte einen Triumph, als hätte er das Sonnensystem bereits erobert. Doch dann wurde seine Traumwelt plötzlich in Millionen Scherben zerschlagen. Er legte seine letzten Berechnungen gerade in eine Aktentasche, als zwei unbekannte Männer eintraten, ihm die Tasche abnahmen und ihn aufforderten, ihm unauffällig zu folgen.
*
Ehe er sich von seinem Schock erholen konnte, war er bereits an Bord eines Sonderschiffes nach Llrala und wurde einem eingehenden Verhör über den Inhalt seiner Aktentasche unterzogen. Die Fragen wurden jedoch nicht von mißtrauischen Agenten des Sicherheitsdienstes gestellt, sondern von einer Reihe hoher Offiziere, die im Rang mindestens zwölf Stufen über ihm standen. Nebenbei erfuhr er, daß die llralanischen Laboratorien sich bereits seit Monaten mit dem Gas der Xil-tressk-Pflanze beschäftigten und darauf hinarbeiteten, die Komaperiode zu verlängern. Auf ihn war man anläßlich einer Routinekontrolle aufmerksam geworden.
Die Sache war schließlich darauf hinausgelaufen, daß seine Traumwelt zwar in Trümmern lag, daß sich seine Position in der wirklichen Welt aber derart veränderte, daß es bereits wieder unglaubhaft war. Es war erst vor drei kurzen llralanischen fahren gewesen, daß er mit seinen Besuchen im Komputerraum des Raumhafens begonnen hatte, und seine Träume waren bereits Wirklichkeit geworden. Der Schreibtischstratege war zum Eroberungshelden geworden. Sarno streckte sich und wandte sich wieder den Berichten zu. Von Büroarbeit zu Büroarbeit, dachte er, konzentrierte sich dann jedoch wieder auf die Meldung über den verschwundenen Erkundungstrupp in Georgia. Man hatte einen Ring um Baxter gelegt, der langsam zusammengezogen wurde; und man hoffte, den Mann schließlich festzusetzen. Bisherige Ergebnisse negativ.
Er las weiter. Die Berichte der Erkundungstrupps deuteten darauf hin, daß die terranische Fauna vom Staub tatsächlich nicht in gleicher Weise betroffen war. Verschiedene niedere Lebensformen erfreuten sich bester Gesundheit, insbesondere Vögel. Ausnahmen bildeten die Enten, die bereits drei Wochen vor der Stunde S reagiert hatten; sie schienen noch empfindlicher zu sein als die Menschen. Trotz dieser unvermuteten Wirkung hatte es auf Terra kein Mißtrauen gegeben. Der Bericht des Geheimagenten, der sich in den letzten sechs Monaten vor der Invasion auf Terra aufgehalten hatte, würde weitere Einzelheiten zu diesem Fragenkomplex beisteuern.
In dieser Hinsicht war eine andere Tatsache interessant. Man hatte ihm eine Reihe von Menschen gemeldet, auf die der Staub nicht gewirkt hatte. Im Augenblick gab es noch keinen erkennbaren Grund für ihre Immunität. Es folgte eine vollständige Liste:
1. MARGARET CASSIDY, Butte, Montana, Terra
2. BRADFORD DONOVAN, London, England, Terra
3. MICHAEL HARRIS, Canali, Mars
4. JENNIFER NOGALES, San Francisco, Kalifornien, Terra
5. PAUL NOGALES, Blue Hills, Yagari, Venus
6. RICHARD RAYBURN SR. New York, Terra
7. RICHARD RAYBURN JR. New York, Terra
8. DANIEL RIERSON, Venusburg, Mucounty, Venus
9. KOGATE YOGANDA, Hongkong Terra
Neun Namen. Fünf waren ihm völlig fremd, vier waren ihm bekannt, sehr bekannt sogar. Neun Menschen, auf die der Staub nicht gewirkt hatte. Neun Menschen, die die Ankunft der llralanischen Flotte bewußt erlebt hatten: neun Zeugen bei einer Invasion, die ohne Zeugen hatte ablaufen
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