TTB 118: Die schlafende Welt
schnell. Es schien erst gestern gewesen zu sein, daß er noch in dem kleinen Büro auf Risstair saß und sich dort als Militärverwalter durch Berge langweiliger Papierarbeit hindurcharbeiten und sich mit den trivialsten Aspekten des Provinzlebens beschäftigen mußte. Damals war ihm die geringste Abweichung von der verhaßten Routine als ein kostbarer Schatz erschienen.
Zu jener Zeit wurden auf Risstair terranische Kriegsgefangene für Rodungsarbeiten eingesetzt, um Platz für neue Militärbasen zu schaffen. Vorzugsweise schickte man diese Gefangenentrupps in die zahlreichen Gebiete, die bei der eingeborenen Bevölkerung derart tabu waren, daß nicht einmal die stärksten Drohungen sie zum Betreten dieser Gebiete veranlassen konnten. Als dann plötzlich die terranischen Gefangenen einer unbekannten Krankheit zu erliegen begannen, war das in der Tat etwas Ungewöhnliches. Die Krankheit trat in Form eines Stunden währenden Komas auf, aus dem kein bekanntes Mittel den Befallenen erwecken konnte. So schnell wie die Krankheit gekommen war, verschwand sie auch wieder, und das Opfer war von nun an immun gegenüber einer neuen Infektion.
Die Arbeit an den Militärstützpunkten kam ins Stocken, und das war eine willkommene Entschuldigung für ihn, die Schreibtischarbeit zur Seite zu schieben und sich selbst nach dem Stand der Dinge zu erkundigen.
Blanatta, der damals noch sein Polizeichef gewesen war, schleppte eine Reihe von eingeborenen Hexendoktoren herbei, die eingehend befragt wurden, um einen ersten Hinweis zu erhalten. Auf interstellarer Basis wurden die bekanntesten Biologen konsultiert und mit Mustern versorgt. Diesem gewaltigen Einsatz konnte das Geheimnis des Planeten nicht lange standhalten. Es stellte sich heraus, daß der Krankheitserreger eine Blume war. Eine Blume von seltener exotischer Schönheit, eine Blume jedoch, die ein Fleischfresser war. Die Natur hatte sie mit einem Gas ausgestattet, das die Pflanze mit tödlicher Genauigkeit versprühen konnte, wenn sie eine lebendige Beute in der Nähe spürte.
Der erstaunliche Umstand war jedoch, daß dieses Gas auf Terraner nur wie ein starkes Schlafmittel wirkte, während es für das risstairische Leben sofort tödlich war. Das Gas verlangsamte die menschlichen Körperfunktionen bis zu einem Grade, daß man bereits von einer Art Winterschlaf sprechen konnte. Der Zustand verging nach einiger Zeit wieder. Und nach dem ersten Anfall war das Opfer immun. Weitere Tests ergaben, daß die llralanische Fauna überhaupt nicht betroffen wurde, und damit war der Fall abgeschlossen. Die Biologen gaben ihre Empfehlungen und wiesen Sarno an, die Arbeitstrupps vorher einer Behandlung mit »Xil-tressk« – der Blume des Todes, wie die Eingeborenen sie nannten – zu unterziehen.
Nachdem dieses interessante Problem gelöst war, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich wieder in sein Büro zu begeben und sich mannhaft den gewaltigen Stößen von Akten zu widmen, die seine persönliche Unterschrift erforderten.
Er hatte bereits an die Niederlegung seines Amtes gedacht und bereits mehrmals versucht, sich zur Flotte versetzen zu lassen. Doch hohe Beamte wie er schienen selten zu sein; seine Gesuche wurden abgelehnt.
Und dann in einem Sprung von Risstair hierher. Er lehnte sich in seinem bequemen Sessel zurück und nippte an seinem Glas. Er war auf die magische Formel gestoßen, die ihm alle Türen geöffnet und sämtliche Hindernisse aus dem Weg geräumt hatte. In der einen Sekunde rannte er noch mit dem Kopf gegen die Wand, in der nächsten war diese Wand verschwunden, und sein Schwung trug ihn weiter, als er je zu hoffen gewagt hatte.
Er wußte nicht mehr genau, wann er zum erstenmal daran gedacht hatte, das Gas der Xil-tressk-Pflanze als Waffe gegen die Terraner einzusetzen. In einer ruhigen Stunde hatte ihm seine Phantasie wohl einmal ein Bild gezeigt, auf dem Millionen schlafender Terraner zu sehen waren, die von den Llralanern besiegt worden waren – und er selbst hielt die Macht in den Händen, um über Leben oder Tod der Schlafenden zu entscheiden.
Eines Tages war die Idee jedenfalls dagewesen, und er hatte oft daran denken müssen, wie bedauerlich es eigentlich war, daß das Koma nur etwa neun terranische Stunden dauerte. Wenn man diese Zeit auf einen oder zwei Tage oder gar einen ganzen Monat verlängern könnte …
Im Augenblick begnügte er sich damit, in seiner knapp bemessenen Freizeit einen hypothetischen Invasionsplan auszuarbeiten, der auf einem
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