Tür ins Dunkel
Blick.
»Aber es könnte einen wichtigen Hinweis enthalten, Captain. Ich führe die Ermittlungen in diesem Fall durch, und ich kann es nicht verantworten, einen möglichen Anhaltspunkt zu vernachlässigen.«
Mondale kam wütend auf den Schreibtisch zu. Seine Hände hatten sich nun doch zu Fäusten geballt.
Ah, dachte Dan, endlich kommt es zum Entscheidungskampf, auf den wir beide seit Jahren gewartet haben! Laura stand vor dem Radio und starrte es an. Sie hatte Angst, es zu berühren, und sie fröstelte in der kalten Luft. Die Kälte schien von dem Gerät auszustrahlen und sich durch das hellgrüne Licht der Skala fortzupflanzen. Das war ein verrückter Gedanke. Es war ein Radio, keine Air-Condition. Kein... nur ein Radio. Ein ganz normales Radio. Ein ganz normales Radio, das sich von selbst eingeschaltet hatte! Bonnie Tylers Lied war verklungen. Jetzt wurde ein Oldie gespielt: Procol Harum, A Whiter Shade of Pale, mit größtmöglicher Lautstärke, die das Gerät heftig vibrieren und die Fensterscheiben klirren ließ. Lauras Ohren schmerzten von dem Lärm. Earl war hinter sie getreten. Auch wenn Pepper irgendwo im Haus weiter schrie, ging die Stimme der Katze in der unerträglich lauten Musik unter. Zögernd legte Laura ihre Finger auf den La utstärkeregler. Er war eiskalt. Sie erschauderte und hätte ihre Hand am liebsten zurückgerissen, nicht nur, weil das Plastik so kalt war, sondern auch, weil es eine besondere Art von Kälte war, eine unheimliche Kälte, die nicht nur den Körper frieren ließ, sondern ebenso auch den Geist und die Seele. Trotzdem ließ sie den Kopf nicht los und versuchte, die Lautstärke zu reduzieren, aber der Regler ließ sich nicht bewegen. Und da es sich zugleich auch um den Ein-und Ausschaltknopf handelte, konnte sie die ohrenbetäubende Musik nicht abstellen. Sie spannte ihre Muskeln an, aber der Knopf drehte sich keinen Millimeter von der Stelle. Laura zitterte heftig. Sie ließ den Regler los.
Obwohl A Whiter Shade ofPale ein melodisches Lied war, klang es bei dieser Lautstärke grell und sogar bedrohlich. Jeder Trommelschlag schien der schwere Schritt einer furchterregenden Kreatur zu sein, und die Hörner klangen wie feindselige Schreie dieses Ungeheuers. Laura packte die Radioschnur und riß daran. Der Stekker fiel aus der Wandsteckdose auf den Boden.
Die Musik erstarb augenblicklich.
Laura hatte halb befürchtet, daß das Radio auch ohne Strom weiterspielen würde. Als Dan das Adreßbuch -ein Büchlein im Taschenformat - nicht weglegte, griff Mondale über den Schreibtisch hinweg, packte mit seiner rechten Hand Dans rechte Hand und drückte fest zu, um Dan zum Loslassen zu zwingen. Mondale war nicht sehr groß, aber er hatte breite Schultern und muskulöse Arme mit dicken Gelenken und großen Händen. Er war ziemlich stark. Dan war jedoch stärker. Er ließ das Büchlein nicht fallen. Den Blick unverwandt auf Mondales Gesicht gerichtet, legte er seine linke Hand auf Mondales rechte und versuchte, dessen Finger aufzubiegen. Es war eine lächerliche Situation. Sie führten sich wie zwei alberne Teenager auf, die den starken Mann spielen wollen. Dan packte einen von Mondales Fingern und bog ihn zurück. Mondale biß die Zähne zusammen und preßte Dans Hand noch fester. Dan bog den Finger seines Gegners immer weiter zurück. Schweiß trat auf Mondales Stirn. Mein Hund ist netter als dein Hund, und meine Mutter ist hübscher als deine Mutter, dachte Dan. Du lieber Himmel, wie alt sind wir eigentlich? Vierzehn? Zwölf? Aber er blickte dem Captain weiterhin fest in die Augen und ließ sich nichts von dem Schmerz in seiner rechten Hand anmerken, und er bog Mondales verdammten Finger noch weiter zurück, und plötzlich schrie Mondale leise auf und ließ Dans Hand los. Dan hielt das Adreßbuch noch immer fest. Er hielt auch Mondales Finger noch einige Sekunden fest, damit kein Zweifel daran aufkommen konnte, wer unterlegen war. Es war ein kindischer Wettstreit gewesen, aber ROSS Mondale hatte ihn sehr ernst genommen. Und wenn der Captain glaubte, Dan mit physischer Gewalt eine Lektion erteilen zu können, konnte er vielleicht aber auch nur vielleicht - auf dieselbe Art und Weise belehrt werden. Sie standen einen Augenblick lang wie gelähmt in der stillen Küche und starrten das Radio an. Schließlich brach Earl das Schweigen: »Wie konnte es...«
»Keine Ahnung«, sagte Laura. »Ist das jemals zuvor...«
»Nie.« Das Radio war kein harmloser Gegenstand mehr; es hatte
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