Tür ins Dunkel
tun, wenn sie genügend Macht haben und selbst keine Risiken mehr eingehen müssen.«
»Du bist der größte Mistkerl, den ich je gesehen habe. Du triefst ja nur so von Selbstzufriedenheit!«
»Aus deinem Munde fasse ich das als Kompliment auf.«
»Du kennst doch die Spielregeln. Wir müssen zusammenhalten. Alle für einen!«
»Allmächtiger Himmel, ROSS, vor wenigen Minuten hast du mir doch erklärt, daß jedem die eigene Haut am nächsten ist.« Mondale konnte den Widerspruch zwischen seinem Verhalten im Fall Lakey und dem soeben postulierten Ehrenkodex nicht erklären. Deshalb wiederholte er nur eigensinnig: »Verdammt, es heißt: Alle für einen. Wir Polizisten halten zusammen.« Dan nickte. »Ja, aber wenn ich von >wir< spreche, schließe ich dich nicht ein. Wir beide können unmöglich zu derselben Spezies gehören.«
»Du wirst deine eigene Karriere zerstören«, warnte Mondale. »Vielleicht.«
»Mit hundertprozentiger Sicherheit. Man wird ein Disziplinarverfahren einleiten und von dir wissen wollen, warum du über diese sogenannte Pflichtverletzung so lange geschwiegen hast.«
»Falsche Loyalität gegenüber einem Kollegen.«
»Das wird man nicht als Entschuldigung gelten lassen. Man wird dich zur Schnecke machen.«
»Du bist es, der ein aktives Dienstvergehen begangen hat. Mein Schweigen war eine Art Unterlassungssünde. Man wird mich deswegen nicht entlassen.«
»Vielleicht nicht. Aber du wirst nie mehr befördert werden.« Dan zuckte die Achseln. »Macht nichts. Mir liegt nicht viel daran, noch weiterzukommen. Ich bin nicht so von Ehrgeiz besessen wie du, ROSS.«
»Aber wenn du einen Kollegen in die Pfanne haust, werden alle dich schneiden.«
»O nein, da irrst du dich gewaltig!«
»Doch. Es ist höchst unmoralisch, einen anderen Polizisten ans Messer zu liefern.«
»Du könntest recht haben - wenn es sich bei dem Polizisten nicht ausgerechnet um dich handelte.« Mondale warf sich in die Brust. »Ich habe Freunde.«
»Du bist bei den hohen Tieren angesehen, weil du ihnen nach dem Mund redest und sehr geschickt im Umgang mit ihnen bist. Aber die gewöhnlichen Polizisten im Einsatz halten dich für ein dummes Arschloch.«
»Unsinn! Ich habe überall Freunde. Du würdest total isoliert werden. Man würde dich meiden wie einen Aussätzigen.«
»Selbst wenn dem so wäre - was nicht zutrifft -, was sollte mir das ausmachen? Ich bin ohnehin ein Einzelgänger, das hast du selbst gesagt. Was sollte es mir da ausmachen, wenn ich gemieden werde?«
Zum erstenmal verriet Mondales Gesicht mehr Beunruhigung als Haß.
»Siehst du?« Dan lächelte. »Du hast keine Wahl. Du mußt mich in diesem Fall arbeiten lassen, ohne dich einzumischen. Wenn du mir Knüppel zwischen die Beine wirfst, werde ich dich vernichten, so wahr mir Gott helfe, auch wenn ich selbst dadurch Probleme bekomme!« Die Deckenbeleuchtung wurde noch schwächer.
Das unheimliche grüne Licht aus dem Radio war jetzt so grell, daß es Laura in den Augen weh tat.
»AUFHALTEN... HILFE... WEGRENNEN... VERSTECKEN... HILFE...«
Das Plexiglas vor der Radioskala zerbarst in der Mitte.
Das Gerät vibrierte so heftig, daß es über die Arbeitsplatte rutschte, und Laura mußte an ihre alptraumhafte Idee von vorhin denken: krabbenartige Beine, die aus dem Plastikgehäuse herauswuchsen...
Die Kühlschranktür öffnete sich wieder von allein.
Alle Schranktüren flogen weit auf. Eine davon schlug gegen Earls Beine, und er wäre fast gestürzt.
Das Radio hatte aufgehört, Botschaften zu übermitteln. Es begnügte sich jetzt damit, schrille elektronische Töne in ohrenbetäubender Lautstärke auszustoßen, so als versuchte es, sie auf diese Weise völlig zu zermürben.
ROSS Mondale setzte sich auf eine Kiste und vergrub sein Gesicht in den Händen, so als weinte er. Das überraschte Dan. Er hatte geglaubt. Mondale sei unfähig, auch nur eine Träne zu vergießen. Der Captain schluchzte nicht. Er gab überhaupt keinen Laut von sich. Als er nach etwa einer halben Minute wieder aufblickte, waren seine Augen völlig trocken. Er hatte nicht geweint -nur nachgedacht. Verzweifelt überlegt. Sein Gesichtsausdruck hatte sich verändert, so als hätte er hastig eine neue Maske aufgesetzt. Besorgnis, Furcht und Zorn waren total verschwunden, und der Haß war gut getarnt; nur ein Rest davon flackerte noch in seinen Augen, wie eine hauchdünne Eisschicht auf einer Pfütze gegen Ende des Winters. Die freundliche, demütige Miene, die er jetzt zur Schau trug,
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