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Türkisches Gambit

Türkisches Gambit

Titel: Türkisches Gambit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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verblüffte. Am 7. Februar dieses Jahres wurde Midhat Pascha zum Sultan zitiert, unter Bewachung gestellt und auf einen Dampfer gesetzt, der den in Ungnade gefallenen Premierminister nach Europa brachte. Unser Anwar, der seinen Wohltäter verraten hatte, wurde nun ›graue Eminenz‹ beim Sultan persönlich. Er tat alles nur Mögliche, um die Beziehungen zwischen der Pforte und Rußland zu zerreißen. Vor einiger Zeit, als das Schicksal der Türkei am seidenen Faden hing, hat sich Anwar Effendi laut Agentenberichten an den Kriegsschauplatz begeben, um den Gang der Ereignisse mittels geheimer Operationen umzulenken, über deren Inhalt wir auf Mutmaßungen angewiesen sind.«
    Da sprach Fandorin sonderbare Worte: »Keinerlei Verpflichtungen. Erstens. Völlige Ha-handlungsfreiheit. Zweitens. Rechenschaft nur Ihnen gegenüber. Drittens.«
    Warja verstand den Sinn dieser Worte nicht, aber der Chef der Gendarmerie war hocherfreut und sagte rasch: »Na wunderbar! Fandorin ist wieder der alte! Sie sind mir schon ganz erloschen vorgekommen, mein Lieber. Seien Sie mir nicht böse, ich meine es nicht dienstlich, ich spreche als der Ältere,rein väterlich. Man darf sich nicht selber lebendig begraben. Überlassen Sie das Grab den Toten. In Ihrem Alter, ich bitte Sie! Sie haben doch, wie es in der Arie heißt, toute la vie devant soi 8 !«
    »Lawrenti Arkadjewitsch!« Die blassen Wangen des Freiwilligen und Diplomaten und Spions liefen dunkelrot an, in der Stimme knirschte Eisen. »Ich habe doch wohl nicht um p-private Ergüsse gebeten.«
    Warja fand diese Bemerkung unzulässig grob und zog den Kopf ein: Gleich würde der in seinen besten Gefühlen gekränkte Misinow losbrüllen.
    Aber der Satrap seufzte nur und sagte kühl: »Ihre Bedingungen sind akzeptiert. Sie haben Handlungsfreiheit. Das hatte ich sowieso vorgesehen. Gucken Sie, horchen Sie, und wenn Sie etwas Auffälliges bemerken … Aber ich brauche Sie ja nicht zu belehren.«
    »Hat-schi!« nieste Warja und duckte sich erschrocken.
    Aber der General erschrak noch heftiger. Er zuckte zusammen, fuhr herum und starrte entgeistert auf die unfreiwillige Zeugin des vertraulichen Gesprächs.
    »Gnädige Frau, Sie hier? Sie sind nicht mit dem Oberstleutnant hinausgegangen? Wie konnten Sie es wagen!«
    »Ein Blick hätte genügt«, antwortete Warja würdevoll. »Ich bin keine Mücke oder Fliege, die man übersehen könnte. Im übrigen stehe ich unter Arrest, niemand hat mich freigelassen.«
    Sie glaubte zu sehen, daß Fandorins Lippen leicht zuckten. Doch nein, dieses Subjekt konnte wohl nicht lächeln.
    »Na schön.« In Misinows Stimme schwang eine leichte Drohung. »Sie haben Dinge erfahren, die Sie keineswegs wissen dürfen. Zur Gewährleistung der Staatssicherheit nehmeich Sie in zeitweiligen Administrativarrest. Man wird Sie nach Kischinjow in Garnisonsquarantäne bringen und Sie dort unter Bewachung bis zum Ende des Feldzugs festhalten. Daran sind Sie selber schuld.«
    Warja erbleichte.
    »Aber ich habe ja meinen Bräutigam noch gar nicht gesehen …«
    »Nach dem Krieg werden Sie ihn sehen«, fiel ihr der Chefgendarm ins Wort und wandte sich zur Tür, um seine Gendarmen zu rufen, aber da mischte sich Fandorin ins Gespräch.
    »Lawrenti Arkadjewitsch, ich glaube, es wird g-genügen, wenn Sie Frau Suworowa das Ehrenwort abnehmen.«
    »Ich gebe mein Ehrenwort!« rief Warja sogleich, ermuntert von dieser überraschenden Fürsprache.
    »Entschuldigen Sie, mein Lieber, aber das kann ich nicht riskieren.« Der General würdigte sie keines Blicks. »Da ist auch noch dieser Bräutigam. Und darf man überhaupt einem Mädchen trauen? Sie wissen ja – lange Haare, kurzer Verstand.«
    »Ich habe keine langen Haare! Und das mit dem Verstand ist gemein!« Warjas Stimme zitterte verräterisch. »Was gehen mich Ihre Anwars und Midhats an!«
    »Auf meine Verantwortung, E-exzellenz. Ich bürge für Warwara Andrejewna.«
    Misinow runzelte mißmutig die Stirn und sagte nichts, Warja aber dachte: Es scheint auch Polizeiagenten zu geben, die nicht gänzlich verkommen sind. Dieser ist immerhin serbischer Kriegsfreiwilliger.
    »Dumme Situation«, knurrte der General. Er wandte sich Warja zu und fragte feindselig: »Können Sie wenigstens irgendwas? Haben Sie eine schöne Schrift?«
    »Ich habe Stenographie gelernt! Ich habe als Telegraphistin gearbeitet! Und als Hebamme!« log Warja hinzu.
    »Stenographin und Telegraphistin?« fragte Misinow verwundert. »Wenn das so ist. Erast Petrowitsch, ich

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