Türkisgrüner Winter (German Edition)
Elyas mit kratziger Stimme.
»Nun …« Der Arzt nahm die Hände aus den Taschen und verschränkte sie hinter dem Rücken. »Die Nacht über bleibt sie sicherheitshalber an einen Monitor angeschlossen. Eine Schwester bringt sie gerade hoch auf Station. Sobald sie wach und wieder aufnahmefähig ist, wird sich ein Psychologe ihrer annehmen. Der entscheidet dann, wie es weitergeht.«
»Wie es weitergeht?«, fragte Yvonne.
»Ja«, sagte Dr. Richter. »Der Psychologe wird entscheiden, ob ihre Freundin entlassen werden kann oder ob sie eine Gefahr für sich selbst darstellt und auf eine psychiatrische Station überwiesen werden muss.«
Yvonne wurde mit einem Schlag wieder bleicher um die Nase. »Sie meinen … Sie meinen, Jessica muss in die Psychiatrie?« Ich sah das veraltete Horrorbild von Zwangsjacken und Gummizellen in ihren Augen aufflackern.
»Keine Sorge, das hört sich im ersten Moment schlimmer an, als es ist«, sagte der Arzt. »Bei der Menge an Schlaftabletten, die ihre Freundin zu sich genommen hat, ist es Routinemaßnahme, dass ein Psychologe hinzugezogen wird. Ob eine Einweisung wirklich nötig ist, liegt allein an der Einschätzung des zuständigen Facharztes. Aber da es sich dem Anschein nach bei Frau Fuchs um einen Suizidversuch handelte, sollten Sie sich darauf einstellen. Therapeutische Hilfe ist in solchen Fällen unabdingbar.«
Niemand zweifelte den Sinn hinter Dr. Richters Worten an, aber die Vorstellung, eine gute Freundin in der Psychiatrie zu sehen, war wohl keine, an die man sich innerhalb weniger Sekunden gewöhnen konnte.
»Haben Sie im Aufnahmeformular die Telefonnummer der Eltern angegeben?«, fragte der Doktor Elyas.
»Ja. Sie sind aber von mir bereits informiert worden und auf dem Weg hierher.«
»Sehr gut«, sagte er. »Frau Fuchs wird auf Station 2 kommen, die Zimmernummer weiß ich leider nicht. Wenn die Eltern eintreffen, sollen sie sich einfach beim Schwesternzimmer melden. Und falls noch irgendwelche Fragen offen sind, können sie sich jeder Zeit an den Stationsarzt wenden. Wäre es möglich, dass Sie den Eltern das ausrichten?«
Elyas nickte.
»Können wir zu ihr?«, fragte Yvonne.
Der Arzt ließ den Blick über die Anwesenden schweifen. »Alle? Tut mir leid, nein, das ist nicht möglich. Sie können momentan sowieso nichts für Frau Fuchs tun. Am besten Sie schlafen sich alle aus, erholen sich von dem Schock und kommen morgen früh wieder.«
»Und wenn nur zwei zu ihr gehen?«, fragte Elyas.
»Sind Sie denn mit Frau Fuchs verwandt?«
»Ja«, log Elyas und deutete auf Yvonne. »Jessica ist unsere Schwester.«
»Oh«, machte Dr. Richter. »Wenn das so ist, können Sie beide natürlich nach oben gehen. Melden Sie sich einfach bei der Stationsschwester an, sie wird Ihnen weiterhelfen.«
»Dem Rest rate ich aber wirklich, nach Hause zu gehen«, fuhr der Arzt fort. »Sie können hier nichts für Ihre Freundin tun. Ein bisschen Ruhe würde Ihnen sicher allen guttun.«
Wir nickten, während der Doktor einen Blick auf die Uhr warf.
»Entschuldigen Sie mich, aber ich muss weiter. Wenn noch Fragen offen sind, wie gesagt, der Stationsarzt wird sie Ihnen beantworten.«
Mit diesen Worten reichte er jedem die Hand.
»Vielen Dank«, sagte Elyas, als er an der Reihe war.
Dr. Richter lächelte warm. »Viel Glück für Ihre Schwester«, erwiderte er und verschwand schließlich mit genauso schnellen Schritten, wie er gekommen war. Eine Weile sahen wir ihm nach.
»Ist es okay, wenn ich mit Yvonne allein hoch gehe?«, fragte Elyas. »Ich wollte euch nicht ausschließen, aber –«
Sebastian unterbrach ihn. »Du brauchst dich nicht entschuldigen. Ich bin froh, dass wenigstens ihr beide zu Jessica könnt.«
Elyas ließ den Blick durch die Runde schweifen, um sicher zu gehen, dass auch sonst niemand etwas einzuwenden hatte. Aber wer sollte etwas dagegen haben? Keiner. Und das merkte auch Elyas.
»Gut, danke«, sagte er. »Wollen wir dann, Yvonne?«
Ich hätte ihn gerne noch einmal in den Arm genommen, ihm zugeflüstert, wie erleichtert ich für ihn war, aber schon in der nächsten Sekunde ließ er meine Hand los, wandte mir den Rücken zu und lief mit Yvonne in Richtung der Fahrstühle. Kurz bevor er einstieg sah er noch einmal zu mir, dann schlossen sich die Türen hinter ihm. In seinem Blick hatte etwas Seltsames gelegen. Ich runzelte die Stirn und wünschte, ich würde wissen, was in seinem Kopf vorging.
Eine Weile standen wir herum, bis Alex den Anfang machte und sich auf
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