Türkisgrüner Winter (German Edition)
er.
Ich nickte und biss mir auf die Lippe. Er wirkte nicht, als wäre er froh über diese Tatsache.
Tom blickte hinter ihn. »Wo hast du Yvonne gelassen?«
»Sie spricht immer noch mit Jessicas Eltern. Aber ich denke, sie wird auch gleich kommen.«
Die ganze Zeit hatte ich darüber nachgedacht, wie ich ihm helfen könnte, und dabei vergessen, dass er von mir vielleicht überhaupt keine Hilfe wollte.
»Und wie geht es Jessica?«, fragte ich.
»Sie schläft«, sagte er.
Erst jetzt realisierte ich, wie dumm meine Frage gewesen war. Ich blickte auf den Boden.
»Aber ich denke, soweit ganz gut«, fügte Elyas da auf einmal hinzu.
»Und dir? Wie geht es dir ?«, fragte ich.
Seine türkisgrünen Augen waren wie von einem Nebel umgeben. Sie wirkten trübe und matt, als wäre der Glanz darin erloschen. Eine Weile sah er mich an und zuckte schließlich mit den Schultern.
»Möchtest du noch auf Yvonne warten? Oder willst du nach Hause?«
Er drehte den Kopf erst in Richtung Fahrstuhl, dann in Richtung des Ausgangs. »Nach Hause«, sagte er leise.
Ich stand auf, zog meine Jacke über und suchte nach der von Elyas. »Hast du gar keine Jacke dabei?«
»Im Auto.« Seine Stimme, die sonst so weich wie Honig klang, hörte sich dumpf an.
Wir verabschiedeten uns von Tom. Er hatte kein Problem damit, die letzten paar Minuten allein auf Yvonne zu warten und wünschte uns eine gute Heimfahrt. Ich nahm mir den Kaffeebecher und lief gemeinsam mit Elyas los. Er schwieg, hatte den Blick auf den grauen Flurboden geheftet und sah kein einziges Mal in meine Richtung.
Ich hielt ihm den Kaffee entgegen.»Möchtest du?«
»Nein, danke.«
Ich zwang den letzten Schluck selbst hinunter und warf den Becher in den Mülleimer, der neben den Eingangstüren stand. Die Schiebetüren schlossen sich hinter uns und die Nachtkälte empfing uns wie eine harte Mauer. Ich verschränkte die Arme vor dem Oberkörper und lief mit Elyas in die Richtung, die er wortlos angab. Ich überlegte, ob ich die Stille durchbrechen sollte, ließ es aber sein. Wahrscheinlich konnte er gerade einfach nicht reden.
Als wir das Auto erreichten, blieb ich stehen. »Ich weiß, Elyas, du gibst deinen Wagen nicht gerne aus der Hand. Aber ich glaube … Also ich denke, es wäre keine gute Idee, wenn du fährst. Vielleicht sollte besser–« Weiter kam ich nicht. Ohne zu widersprechen oder mich anzusehen, drückte Elyas mir den Schlüssel in die Hand. Ich sah auf das Metall in meiner Handfläche und hob die Augenbrauen. Elyas stand inzwischen schon vor der Beifahrertür.
Ich öffnete den Wagen und wir stiegen ein. Drinnen war es kein Grad wärmer als draußen. Nachdem ich den Motor gestartet hatte, suchte ich auf der Mittelkonsole das Rädchen, das für die Heizung zuständig war. Als ich es nicht gleich fand, kam Elyas mir zu Hilfe und schaltete die Heizung selbst an. »Danke«, sagte ich.
Ich legte die Hände auf das eiskalte Lenkrad, parkte rückwärts aus und bog vom Parkplatz auf die Straße. Bei der Hinfahrt hatte ich aus dem Fenster gesehen und wusste daher zumindest grob, in welche Richtung wir mussten. Das Letzte, was ich gewollt hätte, wäre Elyas jetzt auch noch mit ständigen Wegfragen zu nerven.
Er saß zurückgelehnt im Sitz, hatte eine Hand im Schoß, die andere auf dem Türhaltegriff liegen. Sein Blick ging aus dem Seitenfenster.
Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis das Auto sich endlich ein bisschen aufwärmte. Ich hatte schon geglaubt, ich würde meine Finger nie wieder spüren. Ohne sie auch nur einen einzigen Stundenkilometer zu überschreiten, hielt ich mich an die Geschwindigkeitsbegrenzung. Auf den Straßen herrschte immer noch viel Betrieb, teilweise konnte man das Grölen sogar bis ins Auto hören. Der Asphalt war mit roten und braunen Papierüberresten der Feuerwerkskörper gepflastert. Nachdem ich mich in der Umgebung zurechtgefunden hatte, wählte ich eine Route, die uns nicht mitten durch die größten Feiergegenden führen würde. Immer wieder schielte ich zu Elyas und sah jedes Mal das gleiche ausdruckslose Gesicht, das nach draußen starrte.
Sollte ich vielleicht das Radio anmachen? Manchmal tat es in solchen Momenten gut, einer monotonen Geräuschkulisse zu lauschen. Aber andererseits, so wurde mir bewusst, hätte er das Radio längst angeschaltet, wenn ihm danach gewesen wäre.
Und wenn er doch Lust hatte zu reden und darauf wartete, dass ich den Anfang machte? Als wir an der nächsten Kreuzung vor einer roten Ampel standen,
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