Türkisgrüner Winter (German Edition)
jetzt sah ich sein Profil im Ganzen und fühlte, wie sich meine Brust zusammenzog. Ich legte die Hand wieder auf seine mir abgewandte Wange, beugte mich näher zu ihm und schmiegte die Stirn an seine Schläfe. Ich spürte meinen eigenen warmen Atem zwischen uns.
»Ich würde dir so gerne helfen«, flüsterte ich.
Er schloss die Augen und inhalierte tief. Langsam hob er die Hand und legte sie auf meine, die auf seinem Gesicht ruhte. Immer wieder strich er darüber, hielt sich an ihr fest. Dann löste er sie ganz langsam von dort, umschloss sie mit seiner und drückte sie ganz fest. So sehr ich auch nur konnte drückte ich zurück.
Unsere Finger verhakten sich ineinander und ruhten in seinem Schoß. Ich küsste ihn seitlich, dicht am Mund, und betete, dass Jessica überleben würde.
KAPITEL 16
Beklemmung
Wir saßen lange so da, ohne auch nur ein einziges Wort miteinander zu reden. Die Zeit dehnte sich wie die Wände einer Seifenblase und rieselte doch unaufhörlich wie feiner Sand dahin. Jedes Sandkorn nahm ein Stück der letzten Hoffnungen mit sich.
Irgendwann war zu hören, wie draußen mit Raketen und Feuerwerkskörpern das neue Jahr begrüßt wurde. Bei uns fielen die Glückwünsche dieses Mal aus.
Von Andy, Sophie, Sebastian und dem Rest drang kaum ein Geräusch an uns heran. Der Pfleger hatte sich wieder beruhigt und war von dannen gezogen. Auch ohne hinzusehen konnte ich mir ausmalen, dass es den anderen kein Stück besser ging als Elyas. Aber ich wusste, dass sie in der Gruppe Unterstützung fanden und sich gegenseitig umeinander kümmerten.
Elyas und ich saßen hier hinten ganz allein. Nur dann und wann wurde die Stille durch hektische Schritte unterbrochen, die zu einem Arzt, Sanitätern oder Pflegepersonal gehörten. Anfangs hatten wir noch bei jedem Mal den Kopf gehoben, inzwischen nahmen wir sie kaum noch wahr. Als sich die schwere Glastür zu den Behandlungsräumen erneut öffnete, verließ ein Mann mittleren Alters in weißem Kittel den nicht zugänglichen Bereich. Er sah aus wie alle anderen Ärzte, die an uns vorbeigelaufen waren. Nur dass seine Schritte, kurz bevor er uns erreichte, auf einmal langsamer wurden. Gleichzeitig hoben Elyas und ich den Kopf.
»Sind Sie der junge Mann, der Jessica Fuchs eingeliefert hat?«
Wir lösten uns voneinander und rappelten uns hektisch auf. »Ja«, sagte Elyas.
Der Arzt reichte ihm die Hand. »Ich hatte vorhin keine Zeit mich vorzustellen. Mein Name ist Dr. Richter.«
»Hallo«, antwortete Elyas. In diesem Moment bekamen auch die anderen Wind und liefen herbei. Ich stellte mich leicht hinter Elyas und griff nach seiner Hand. Ich drückte sie und spürte, wie er den Druck erwiderte.
»Sind Sie alle Freunde von Jessica?« Der Arzt und blickte der Reihe nach durch die Gesichter.
Elyas, dessen Erscheinung an einen Geist erinnerte, nickte.
»Nun gut«, sagte Dr. Richter und steckte die Hände in die Kitteltaschen. »Gleich zu allererst: Frau Fuchs geht es den Umständen entsprechend gut. Sie wird vermutlich noch eine Weile schlafen und benommen sein, aber die Lebensgefahr ist inzwischen gebannt.«
In Momenten wie diesen stellte man sich immer vor, dass alle aufjubelten, sich in die Arme fielen und miteinander drehten. Aber nichts dergleichen geschah. Alle starrten wie paralysiert auf die Lippen des Arztes und konnten es im ersten Augenblick gar nicht fassen. Erst nach und nach drang die gute Nachricht zu uns durch und nahm ein bisschen die Anspannung aus den Körpern. Ich hörte Elyas ausatmen, vergrub das Gesicht an seiner Schulter und fuhr ihm mit der Hand den Rücken auf und ab.
Als der Arzt weitersprach, wandte er sich an Elyas. »Es war gut, dass Sie so schnell reagiert und Jessica sofort zum Erbrechen gebracht haben. Wir haben ihr den Magen ausgepumpt, aber die wohl größte Menge war bereits draußen.«
Elyas entgegnete nichts, hörte einfach nur zu.
»Dadurch, dass Sie eine Packung von dem Medikament dabei hatten«, fuhr Dr. Richter fort, »konnten wir Jessica sofort das richtige Antidot verabreichen und die Wirkung der Schlaftabletten aufheben. Sie haben wirklich genau das Richtige getan, junger Mann. Dass ihre Freundin ohne größeren Schaden davonkommen wird, hat sie zum größten Teil Ihnen zu verdanken.«
Elyas erweckte nicht den Anschein, als würde er sich wie ein Held fühlen. Vielmehr sah er so aus, als würde er sich weiterhin Vorwürfe machen, weil das Ganze überhaupt passiert war.
»Wie geht es jetzt weiter mit ihr?«, fragte
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