Türkisgrüner Winter (German Edition)
Dusche. Am liebsten wäre ich ohne zu zögern hineingestiegen, aber vermutlich war es besser, damit zu warten, bis ich zuhause war.
Nachdem ich mir die Zähne geputzt hatte, kämmte ich mir mit einer von Alex’ Bürsten die Haare und zuckte zusammen, als ich an eine Stelle kam, die wehtat. Ich runzelte die Stirn, tastete mit den Fingern meinen Kopf ab und konnte eine kleine Beule fühlen. Eine Beule ?
Okay. Ganz dem Anschein nach gab es inzwischen zwei peinliche Erinnerungen, die mir erspart blieben.
Mit etwas mehr Vorsicht kämmte ich mir die Haare weiter, sah jedoch nach einer Weile ein, dass es völlige Zeitverschwendung war. Ich hatte vorher ausgesehen wie ein explodierter Schrubber und tat es weiterhin. Kurzerhand griff ich nach einen von Alex‘ Haargummis und knotete das widerspenstige Gestrüpp nach oben.
Weil ich dachte, dass Elyas seinen Pullover bestimmt zurückhaben wollte, suchte ich das Bad nach meinem Oberteil ab. Vergebens, wie sich zeigte. Offenbar hatte er es weggeräumt.
Elyas.
Der Gedanke an ihn verstärkte das flaue Gefühl in meinem Magen. Gleich würde ich ihm unter die Augen treten müssen. Sollte ich vielleicht zurück ins Bett gehen und, sagen wir, noch drei bis vier Tage weiterschlafen? Dieser Plan gefiel mir ziemlich gut, zumindest so lange, bis mir wieder auffiel, was für ein verdammter Lappen ich doch war. Immerhin hatte ich selbst Schuld an der ganzen Misere, warum betrank ich mich auch so? Nach der einschlägigen Erfahrung an meinem achtzehnten Geburtstag hätte ich es besser wissen müssen. Verzweiflung hin oder her, die gestrige Suppe hatte ich mir selbst eingebrockt. Nun konnte ich zusehen, wie ich sie auslöffelte.
Etwa fünf Minuten lang starrte ich den Türgriff an, als würde sich eine dicke Schicht Anthrax darauf befinden. Schließlich atmete ich tief durch, drückte die Klinke hinunter und betrat den Gang. Jeder Schritt brachte mich näher zu der Höhle des Löwen. In diesem Fall musste die Küche als Höhle herhalten.
Vielleicht drei, vier Meter, bevor ich diese erreicht hatte, erblickte ich Elyas und blieb stehen. Er lehnte mit verschränkten Armen am Küchentresen, die Augen auf den Boden gerichtet. Als ich realisierte, dass dies meine letzte Chance zum Umdrehen wäre, hob er den Kopf und bemerkte mich. Seine Augen weiteten sich.
Innerlich mit mir ringend schritt ich weiter auf den Wohnbereich zu. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und vergeblich versuchte ich, Elyas‘ schwer definierbaren Gesichtsausdruck zu deuten. Er lächelte, wirkte aber bei weitem nicht so souverän wie gewohnt.
Mit ein bisschen Abstand zu ihm blieb ich stehen. Ich steckte die Hände in die Hosentaschen und blickte zu meinen Füßen. Wow, so ein Laminatboden konnte echt interessant sein, die ganzen Baumringe und so …
Wäre es sehr unfreundlich, wenn ich jetzt von null auf hundert beschleunigen und durch die Haustür stürmen würde?
Vermutlich.
»Na?«, fragte Elyas.
Ich zog die Schultern nach oben. »Na …«, gab ich zurück.
»Was macht dein Kater?«
»Du hast nicht zufällig eine Dampfwalze gesehen, die aus deinem Zimmer kam?«
Er lächelte. »Leider nein.«
»Schade«, sagte ich, »ich hätte noch eine Rechnung mit ihr offen gehabt.« Was quatschte ich hier eigentlich für einen Mist?
Wieder wurde es ruhig zwischen uns beiden und zwanghaft versuchte ich, mir etwas einfallen zu lassen. Leider kam kein einziger glorreicher Satz dabei zustande.
»Willst du«, fragte Elyas, »vielleicht einen Kaffee … oder irgendetwas essen?«
Ich schüttelte den Kopf und steckte die Hände noch tiefer in die Hosentaschen. »Danke, aber mein Magen fühlt sich immer noch ziemlich flau an.«
Oh Mann, ich wollte hier weg. Oder er sollte mich in den Arm nehmen. Eins von beiden. Sich gegenüberzustehen und nicht zu wissen, was man sagen sollte, war jedenfalls unerträglich.
Normalerweise sah mir Elyas ununterbrochen in die Augen, aber selbst das tat er heute nicht. Sein Blick schweifte mich lediglich hin und wieder. Und als das gerade wieder der Fall war, blieb sein Augenmerk einige Sekunden länger als gewöhnlich an meiner Stirn hängen. Der Kratzer , fiel es mir ein.
»Möchte ich wissen, woher ich den habe?«, fragte ich.
Elyas‘ Gesicht, über das ein Grinsen schlich, war eigentlich schon Antwort genug.
»Du kannst dich nicht mehr an Mr. Busch erinnern?«
»Mr. Busch?«
Er nickte.
»Gut«, sagte ich, »soeben habe ich beschlossen, dass ich es nicht wissen möchte.«
Er lachte
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