Türkisgrüner Winter (German Edition)
heraus hob ich die Bettdecke an. Ich trug Klamotten. Erleichtert wie nie zuvor atmete ich aus.
»Keine Angst«, sagte er mit einem Schmunzeln. »Es ist mir zwar schwer gefallen, aber ich bin brav geblieben.«
Ich fuhr mir mit den Händen durchs Gesicht. »Was … was genau meinst du mit abgestürzt ?« So langsam bekam ich einen Eindruck, wie es Menschen erging, die unter Amnesie litten. Ich erinnerte mich an vorgestern, an vorvorgestern und auch an den Tag davor – aber gestern war nichts anderes als ein großes schwarzes Loch für mich.
»Auf der Halloween-Party«, sagte er etwas zögerlich.
Halloween Party , rauschte es mir wie ein Stichwort durch den Kopf. Ein verdammt böses Stichwort.
Unsicher blickte Elyas in meine vor Schock geweiteten Augen und schien zu erahnen, dass es bei mir gerade ›Klick‹ gemacht hatte. Eine Erinnerung nach der anderen prasselte auf mich ein. Das »Bite Me« T-Shirt … Elyas als Vampir … Meine peinliche Verfolgungsjagd …
»Oh Gott!«, quiekte ich auf und schlug mir die Hand vor den Mund. In dieser Sekunde wäre ich am liebsten überall gewesen, nur nicht hier. Auf die Vogel-Strauß-Taktik zurückgreifend, zog ich mir die Decke über den Kopf.
» Du bist mir vorhin sogar bis zur Toilette nachgelaufen. «
Ich kroch noch tiefer unter die Decke.
Der Beinahe-Kuss … Alex, die dazwischen platzte … Meine peinliche Flucht … Mein dummes Verhalten, als Elyas mit mir reden wollte …
Immer wieder schüttelte ich den Kopf. All diese Erlebnisse aus meinem Gedächtnis spürte ich so intensiv, als würden sie in diesem Moment passieren. Wie um Himmels Willen konnte man diesen Abend rückgängig machen? Wo war der verdammte Knopf dafür?
Als ich kurz davor war, endgültig zu verzweifeln, nahm dieser blitzartige Schwall von Erinnerungen ab. Die Bilder wurden ungenauer. Vermutlich lag das an meinem Alkoholkonsum, der nach dem Streit mit Elyas drastisch angestiegen war. Ich erinnerte mich nur noch an einzelne Szenen – schreckliche Szenen!
Mit dem Gesicht hatte ich mich an Elyas‘ Brust geschmiegt, und er hatte mich von sich geschoben …
Weshalb tat ich so etwas auch? Jammernde Laute verließen meinen Mund und ich verspürte den unbändigen Wunsch, auf der Stelle zu sterben.
»So schlimm war es gar nicht«, hörte ich Elyas‘ Stimme gedämpft oberhalb der Decke sagen. Offenbar war das ein Versuch, mich zu beruhigen. Er scheiterte kläglich.
Ich hatte mich auf der Straße an seinen Hals geschmissen …
Oh nein, oh nein, oh nein, oh nein. Die Bilder sollten endlich aufhören.
»Glaub mir, Schatz , den würdest du spüren.« – »Na supa, jez hassse mich scharf gemachd.«
AAAAAHHHHH!!!!!
Nachdem er mir beim Aussteigen aus dem Auto behilflich gewesen war, hatte ich mich an ihn gedrückt. Und als er mich anschließend die Treppen nach oben getragen hatte, wäre er durch meinen peinlichen Klammergriff fast zu Tode gekommen …
Oh mein Gott. Aufhören, bitte aufhören!
Wet-T-Shirt-Contest, schoss es mir in den Sinn.
Könnte mich bitte jemand mit dem Holzhammer erschlagen?
» Ich bringe dich jetzt besser ins Bett.« – »T … T … Trägst du mich ?«
Ich biss mich in der Bettdecke fest und schüttelte immer wieder den Kopf. Doch die Bilder ließen sich einfach nicht vertreiben. Und wie sich herausstellte, hatte ich das Furchtbarste erst noch vor mir. Denn vor meinem inneren Auge sah ich plötzlich, wie ich Elyas den Gürtel geöffnet hatte. Ich war ihm an die Wäsche gegangen. Ich war Elyas Schwarz an die Wäsche gegangen .
Allmählich blieben mir die Jammergeräusche im Halse stecken. Wo war der Sekundentod, wenn man ihn brauchte?
Die Matratze gab ein bisschen nach und kurz darauf hörte ich Elyas‘ Stimme. »Okay«, sagte er. »Ich habe den Eindruck, dass ich es mit meiner Anwesenheit nur schlimmer mache. So wie ich dich kenne, möchtest du jetzt lieber allein sein und dir in aller Ruhe wünschen, du würdest sterben. Ich mache deine Hoffnungen nur ungern zunichte, liebe Emely, aber bedaure, dieser Fall wird nicht eintreten.«
Ein leises, dumpfes Geräusch ertönte. »Ich habe dir das Glas mit dem Aspirin auf den Nachtschrank gestellt und erfülle dir zumindest deinen ersten Wunsch, indem ich gehe. Wenn du dich beruhigt hast, kannst du gerne zu mir nach vorne in die Küche kommen. Ich werde weder lachen noch irgendwelche blöden Sprüche machen. Das verspreche ich dir. Dafür gibt es auch gar keinen Grund. Wahrscheinlich kannst du dir das in deinem Kopf gerade
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