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Türkisgrüner Winter (German Edition)

Türkisgrüner Winter (German Edition)

Titel: Türkisgrüner Winter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Bartsch
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es nicht die Möglichkeit, bei einem niedergelassenen Arzt zu arbeiten? Oder ist das dieselbe Tragödie in Grün?«
    Elyas seufzte, sah mich noch einen Moment an, ehe er den Blick schließlich wieder auf den Boden lenkte. »An die Alternative habe ich auch schon gedacht«, sagte er. »Um ein Krankenhaus würde ich aber anfangs trotzdem nicht herum kommen. Ich muss ein Jahr Praktikum machen und obendrauf meinen Facharzt. Allerdings wäre das natürlich ein absehbarer Zeitraum.
    Bei niedergelassenen Ärzten ist es schon ein wenig anders. Sie arbeiten auf eigene Kasse. Aber je größer die Arztpraxis und die Vielfalt der chirurgischen Möglichkeiten, desto mehr ähnelt es dem Prinzip einer Klinik.«
    »Verstehe«, sagte ich und ließ die Schultern hängen. »Das klingt leider alles sehr verzwickt.«
    »Ja, das ist es wohl«, sagte er.
    Für einen Moment beobachtete ich meine Hände. »Ich würde dir so gerne einen Tipp geben, Elyas«, sagte ich. »Aber um ehrlich zu sein, weiß ich keinen. Ich könnte dir nur sagen, dass du dir alles in Ruhe durch den Kopf gehen lassen und darauf vertrauen solltest, was dein Gefühl dir sagt. Aber wie du dich anhörst, bist du alles schon tausendmal durchgegangen. Und dein Gefühl scheint dir auch nicht die Antwort zu geben, die du benötigst.«
    Elyas wägte das mit dem Kopf ab und nickte schließlich. »Das trifft es genau auf den Punkt.«
    »Weißt du«, sagte ich, »ich schätze dich schon so ein, dass du ein großes Durchhaltevermögen besitzt und wahrscheinlich mehr Stärke, als du dir selbst zutraust. Dir scheint sehr viel an dem Beruf zu liegen, sonst würde dir das alles nicht so zu schaffen machen. Du hängst daran. Das spürt man. Vielleicht wäre der richtige Weg, es auszuprobieren. Und wenn du merkst, dass es nicht funktioniert, kannst du immer noch umdenken. Aber dann hast du wenigstens Gewissheit.«
    Elyas nahm einen tiefen Atemzug. »Ja«, sagte er, »damit hast du natürlich Recht. Wobei es schwierig ist, den Überblick zu behalten und den richtigen Moment für eine Entscheidung abzupassen.«
    »Das stimmt, das ist immer problematisch und einfacher gesagt als getan. Du könntest dir vorher einen gewissen Zeitraum festlegen, vielleicht zwei, drei Jahre. Und wenn du die hinter dich gebracht hast, blickst du zurück und reflektierst.«
    »Wäre eine Möglichkeit, ja«, sagte er.
    »Hast du eigentlich schon mal daran gedacht, mit Ingo darüber zu sprechen?«, fragte ich. »Ich meine, niemand könnte dich besser verstehen als er.«
    Elyas fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. »Natürlich habe ich das«, antwortete er. »Aber wie soll ich sagen … Mein Vater war damals sehr glücklich, als ich mit dem Medizinstudium anfing. Dass ich es manchmal vernachlässige, macht ihn dagegen weniger glücklich. Ich denke, es würde ihn sehr enttäuschen, wenn ich ihm sage, dass ich mit dem Gedanken spiele, es sein zu lassen.«
    »Kann ich mir nicht vorstellen«, erwiderte ich. »Nicht, wenn du es ihm so erklärst, wie du es mir gerade erklärt hast. Ich glaube sogar, dass er mehr Verständnis für dich haben wird, als du es dir vorstellen kannst.«
    Es dauerte einen Moment, ehe er antwortete. »Mag sein«, sagte er nachdenklich.
    »Vertrau mir. Du solltest das wirklich tun.«
    Ich fuhr mit den Fingern die raue Oberfläche der Mauer entlang. »Darf ich dich noch etwas fragen, Elyas?«
    »Nur zu.«
    »Hast du schon mal an eine Alternative gedacht? Also falls du dich dazu entschließen solltest, dein Studium abzubrechen. Was ist zum Beispiel mit dem Klavier spielen? Wäre das nicht eine Richtung, in die du gehen könntest?«
    »Eine richtige Alternative habe ich nicht, nein«, sagte er. »Ich liebe es, Klavier zu spielen, aber für Konzerte oder Ähnliches bin ich nicht gut genug. Für einen Laien mag es sich passabel anhören und für Hintergrundmelodien, Jingles und dergleichen ausreichen, aber nach oben gibt es keine Grenzen. Es bräuchte Jahre, um mir aus dieser Grundlage eine richtige Existenz aufzubauen. Die Musikindustrie ist eine sehr schwierige und unstete Angelegenheit.«
    »Verstehe«, murmelte ich und spielte geistesabwesend an meinen Schuhen. Es sah ganz danach aus, als hätte ich Elyas ein bisschen vorschnell unterstellt, dass ihm alles im Leben nur so zufliegen würde.
    Aber für jemanden wie ihn musste es doch irgendetwas geben? Selbst ich hatte ein Studium gefunden, das mir Spaß machte und mich ausfüllte.
    Tief in Gedanken versunken, holte mich Elyas‘ Stimme wieder in

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