Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis
manche Menschen nicht … nicht gefunden werden wollen. Sie tauchen unter, weil ihnen ihr Leben mit seinen Belastungen zu viel geworden ist und sie dem Druck nicht mehr gewachsen sind.«
»Nicht mehr gewachsen?«, wiederholte Mrs Burrows aufbrausend.
»Ja, wir müssen diese Möglichkeit in Betracht ziehen.«
»Mein Mann konnte also dem Druck nicht mehr standhalten? Und welchem Druck, um genau zu sein? Das Problem war doch viel eher, dass er nie auch nur den geringsten Druck gehabt hat … oder Antrieb, wenn Sie so wollen.«
»Mrs B …«, setzte der Beamte an und sah hilflos zu Will und Rebecca, die von Beatty zu ihrer Mutter und wieder zurückschauten, als wären sie Zeugen eines besonders spannenden Tennismatches.
»Glauben Sie ja nicht, ich wüsste nicht, dass die meisten Morde von Familienmitgliedern begangen werden«, wetterte ihre Mutter unbeirrt weiter.
»Mrs Burr …«
»Deshalb wollen Sie uns auf der Wache befragen, habe ich recht? Um herauszufinden, ob wir die Täter sind.«
»Mrs Burrows«, sagte der Kriminalbeamte ruhig, »niemand hat behauptet, dass hier ein Mord begangen wurde. Meinen Sie, wir könnten noch einmal von vorne anfangen und es diesmal richtig anpacken?«, schlug er vor und versuchte tapfer, die Situation wieder in den Griff zu bekommen.
»Entschuldigung. Ich weiß, Sie tun nur Ihre Arbeit«, sagte Mrs Burrows in etwas ruhigerem Ton und nahm einen Schluck Tee.
Beatty nickte, dankbar, dass sie ihre Tirade beendet hatte. Er holte tief Luft und warf einen Blick in sein Notizbuch. »Ich weiß, dass es schwerfällt, über diese Frage nachzudenken, aber hatte Ihr Mann möglicherweise Feinde?«, fragte er. »Vielleicht durch irgendwelche geschäftlichen Transaktionen?«
Zu Wills größter Überraschung warf Mrs Burrows in dem Moment den Kopf in den Nacken und brach in schallendes Gelächter aus. Der Beamte murmelte, dass er das als ein »Nein« betrachte, und schrieb eifrig in sein kleines schwarzes Notizbuch. Er schien seine Fassung halbwegs wiedererlangt zu haben.
»Ich muss Ihnen diese Fragen stellen«, sagte er und sah Mrs Burrows direkt an. »Haben Sie jemals beobachtet, dass er übermäßig getrunken oder Drogen genommen hat?«
Erneut prustete Mrs Burrows laut los. »Mein Mann?«, fragte sie. »Sie machen Witze!«
»Okay. Und was trieb er so während seiner Freizeit?«, fragte Beatty tonlos und versuchte, die Fragen so schnell wie möglich abzuhaken. »Hatte er irgendwelche Hobbys?«
Rebecca warf Will einen Blick zu.
»Er hat Ausgrabungen vorgenommen … archäologische Grabungsarbeiten«, erwiderte Mrs Burrows.
»Ach, ja.« Der Beamte wandte sich an Will. »Wenn ich es richtig verstanden habe, dann hast du ihm immer geholfen, stimmt’s?« Will nickte. »Und wo fanden all diese Grabungsarbeiten statt?«
Will räusperte sich und sah zu seiner Mutter und dann wieder zu Beatty, der, den Stift erwartungsvoll gezückt, auf eine Antwort wartete.
»Also, eigentlich überall«, sagte Will. »Am Rand der Stadt, auf Müllhalden und so.«
»Ach, ich dachte, es wäre dabei um richtige Grabungsstätten gegangen«, sagte der Beamte.
»Das waren auch richtige Grabungsstätten«, entgegnete Will mit Nachdruck. »Einmal haben wir sogar die Überreste einer alten römischen Villa gefunden, aber am meisten interessieren wir uns für Fundstücke aus dem achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert.«
»Und wie umfangreich … ich meine, wie tief waren die Löcher, die ihr gegraben habt?«
»Ach, eigentlich waren es nur Gruben«, erwiderte Will ausweichend, um zu verhindern, dass der Kriminalbeamte weitere Fragen in diese Richtung stellte.
»Und wart ihr zu dem Zeitpunkt, als dein Vater verschwunden ist, vielleicht mit irgendwelchen Grabungsarbeiten beschäftigt?«
»Nein, waren wir nicht«, sagte Will und spürte, wie Rebecca ihn förmlich mit Blicken durchbohrte.
»Bist du sicher, dass er nicht doch irgendwo gegraben hat, vielleicht ohne dein Wissen?«
»Nein, das glaube ich nicht.«
»Also gut«, sagte der Beamte und steckte sein Notizbuch ein. »Das wäre dann alles für heute.«
Am nächsten Tag hielten Chester und Will sich nicht lange vor dem Schulgebäude auf. Sie hatten Speed und einen seiner getreuen Gefolgsmänner, Bloggsy, entdeckt. Die beiden lungerten jenseits des Schultors herum, und Speed musterte sie eingehend, während er mit den Händen in den Taschen am Gitter lehnte. Bloggsy, eine widerliche kleine Kreatur mit krausen roten Haaren, die seinen Kopf wie ein
Weitere Kostenlose Bücher