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Tunnel - 02 - Abgrund

Tunnel - 02 - Abgrund

Titel: Tunnel - 02 - Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
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genauer betrachten zu können. Die etwa rechteckige Fläche war leuchtend scharlachrot eingefärbt und mit einem winzigen pechschwarzen Schädel, einem Totenkopf versehen. Sarah versuchte gerade, die daneben platzierte Inschrift zu entziffern, als sie in unmittelbarer Nähe ein Geräusch hörte – den Hauch eines Atemzugs.
    Sofort schaute sie auf.
    Erschrocken wich sie zurück, taumelte gegen den Stuhl und bemühte sich, nicht entsetzt aufzuschreien.
    Auf der anderen Seite des Tischs stand ein unglaublich großer Styx-Soldat in der typischen graugrünen Uniform der Division und musterte sie schweigend aus etwa einem Meter Entfernung. Sarah hatte keinen blassen Schimmer, wie lange er sie schon beobachtete.
    Während sie zu ihm hochschaute, entdeckte sie, dass der Aufschlag seines langen Mantels mit einer Reihe kurzer Baumwollfäden in unterschiedlichen Farben besetzt war. Wie bei den in Übergrund verliehenen Medaillen handelte es sich auch hierbei um militärische Auszeichnungen für Tapferkeit – und der Styx trug derartig viele dieser Verdienstabzeichen, dass Sarah sie gar nicht alle zählen konnte.
    Seine schwarzen Haare waren nach hinten gekämmt und zu einem straffen Pferdeschwanz gebunden. Doch als Sarahs Blick auf sein Gesicht fiel, musste sie sich zusammenreißen, um nicht noch einen Schritt zurückzuweichen, denn es bot einen furchterregenden Anblick: Eine riesige Narbe erstreckte sich über die linke Gesichtshälfte. Sie reichte von der Stirn zum Auge – das so deformiert aussah, als sei es um neunzig Grad gedreht worden –, und über die Wange bis hinab zum Kiefer. Auch sein Mund und seine ohnehin extrem schmalen Styx-Lippen waren durch die Narbe verunstaltet und so weit nach hinten gezogen, dass Sarah fast sämtliche Zähne bis zum Zahnfleisch sehen konnte.
    Dieses Gesicht lieferte Stoff für Albträume.
    Rasch suchte Sarah das gesunde Auge des Styx und versuchte, nicht zu dem beschädigten, tränenden Auge zu schauen, das blutunterlaufen und von einem feinen Gitterwerk blauer Kapillargefäße durchzogen war. Der Anblick erinnerte sie an eine unvollendete anatomische Studie, als hätte jemand das Gesicht zur Hälfte seziert und dann die Untersuchung abgebrochen.
    »Wie ich sehe, hast du bereits ohne mich angefangen«, sagte er. Seine Stimme klang rauchig durch den verzerrten Mund, sein Tonfall war ruhig, aber gebieterisch. »Weißt du, was diese Karte zeigt?«, fragte er.
    Sarah zögerte, ging dann wieder einen Schritt vor und senkte den Blick auf die Karte. »Die Tiefen«, erwiderte sie.
    Der Styx nickte. »Ich habe gesehen, dass du den Grubenbahnhof bereits gefunden hast. Gut. Sag mir …« Seine Hand zeigte auf die eingezeichnete Eisenbahnlinie, und Sarah bemerkte, dass mehrere Finger stark verstümmelt waren, während andere völlig fehlten. Nun deutete er mit der Hand auf den Rest der Karte. »… hast du von der Existenz all dessen hier gewusst?«
    »Vom Grubenbahnhof habe ich gewusst, aber von dem ganzen Rest hier … nein, davon war mir nichts bekannt«, antwortete Sarah wahrheitsgemäß. »Aber ich habe Geschichten gehört … über das Erdinnere … viele Geschichten.«
    »Ah, die Geschichten.« Er lächelte flüchtig. Die Wirkung dieser mimischen Geste war entwaffnend – der glänzende Rand um seine Zähne herum kräuselte sich wie eine träge Sinuswelle und straffte sich dann wieder. Im nächsten Moment setzte er sich und bedeutete Sarah, ebenfalls Platz zu nehmen. »Meine Aufgabe besteht darin, zu gewährleisten, dass du dich in der Großen Prärie und deren Umgebung sicher bewegen kannst. Wenn wir hier fertig sind …«, seine dunklen Augen wanderten zu einer Reihe von Gegenständen am hinteren Ende des Tischs, »wirst du mit unserer Ausrüstung und unseren Waffen vollständig vertraut und in der Lage sein, innerhalb unserer Vorgaben selbstständig zu handeln. Verstanden?«
    »Ja, Sir«, reagierte Sarah passend zu seinem militärischen Auftreten, was ihm zu gefallen schien.
    »Wir wissen, dass du ziemlich fähig bist – sonst hättest du uns nicht über einen so langen Zeitraum entwischen können.«
    Sarah nickte.
    »Deine einzige Aufgabe besteht darin, den Rebellen ausfindig und unschädlich zu machen – mit allen erforderlichen Mitteln.«
    Der Begriff »Rebell« hing schwer in der Luft, während Sarah in das schrecklich entstellte Gesicht des Styx starrte. »Sie meinen Will Burrows?«
    »Ja, Seth Jerome«, erwiderte er knapp. Dann wischte er sich mit dem Handrücken über das

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