Tunnel - 02 - Abgrund
begonnen«, erklärte Drake. »Und dann hätten sie ihn bei lebendigem Leibe langsam, aber sicher verdaut, wie eine Art menschlichen Kompostsack.«
»Sporen?«, fragte Will.
»Ja, hier.« Mit dem Daumen rieb Drake kräftig über eine der weißen Beulen an Cals Hals, die schließlich aufbrach. Darunter kam noch bläulichere Haut mit kleinen Blutstropfen zum Vorschein, als wäre die Haut aufgeschürft. »Die Sporen keimen und bilden Wurzeln, die in das Gewebe des Opfers eindringen und ihm jegliche Nährstoffe entziehen.«
»Aber er wird doch wieder gesund, oder?«, warf Will rasch ein.
»Er war ziemlich lange bewusstlos«, erwiderte Drake achselzuckend. »Und jetzt hört mal gut zu: Falls einer von euch so dumm ist, den gleichen Fehler zweimal zu machen und noch mal in eine Zuckerfalle zu tappen, dann müsst ihr das Opfer durch einen Schock aufwecken. Denn das Nervensystem bricht fast sofort zusammen und muss mithilfe eines Traumas wieder angekurbelt werden … etwa indem man den Betroffenen unter Wasser taucht. Ihr müsst ihn fast ertränken, um ihn zu retten.«
Cal schien erneut das Bewusstsein zu verlieren, woraufhin Drake ihm wieder ins Gesicht schlug, und zwar so hart, dass das Schallen der Ohrfeigen Will in den Ohren schmerzte. Plötzlich riss Cal den Kopf hoch. Er holte tief Luft und stieß einen schrecklichen Schrei aus, der Will und Chester einen Schauer über den Rücken jagte. Der Schrei klang schauerlich, wie von einem Tier, und hallte durch die Sandwüste um sie herum. Aber er schenkte den beiden Jungen auch Hoffnung – wie der erste Schrei eines Neugeborenen.
»Na also. Und jetzt geht wieder mit ihm auf und ab«, sagte Drake und ließ Cals Kopf los.
In endlosen Kreisen führten Will und Chester den Jungen herum, und allmählich schien das Leben in seinen Körper zurückzukehren. Zunächst noch äußerst geschwächt, versuchte er, seine Beinmuskulatur anzuspannen und einen Fuß zu bewegen, doch schon bald machte er größere, ungelenke Schritte, während sein Kopf immer noch hin und her rollte, als sei er volltrunken.
»Drake, das solltest du dir besser ansehen«, rief Elliott und stellte das Zielfernrohr schärfer.
Sofort war Drake an ihrer Seite, übernahm das Gewehr und schaute durch das Fernrohr. »Ja … ich sehe, was du meinst … seltsam …«
»Was hältst du davon?«, fragte Elliott. »Da wird ziemlich viel Staub aufgewirbelt.«
Drake ließ das Gewehr sinken und musterte sie mit einem verblüfften Gesichtsausdruck. »Styx … zu Pferd! «
»Nein!«, stieß sie ungläubig hervor.
»Sie müssen ein Licht von uns aufgefangen haben«, sagte Drake und gab ihr die Waffe zurück. »Wir können auf keinen Fall länger hierbleiben.« Entschlossen marschierte er zu Will und Chester. »Tut mir leid, Jungs, aber wir haben keine Zeit mehr zum Ausruhen oder Essen. Ich werde eure Sachen tragen, aber der Patient gehört euch.« Er schwang sich die Rucksäcke der beiden über die Schulter und setzte sich ohne jede Verzögerung in Bewegung.
Will und Chester schleppten Cal zwischen sich: Will hatte seinem Bruder unter die Arme gegriffen, während Chester ihn an den Beinen trug. Sie torkelten und trabten hinter Drake her, dessen gedämpfte Helmlampe ihnen als Orientierungshilfe diente.
»Die Styx können uns mit ihren Pferden nicht in die Lavaröhren folgen«, rief er den Jungen leise über die Schulter zu. »Aber wir haben noch einen verdammt weiten Weg vor uns, ehe wir außer Gefahr sind. Also beeilt euch!«
»Das ist Schinderei«, stöhnte Will, als sein Fuß erneut gegen einen Felsbrocken stieß und er ins Schwanken geriet, sich aber gerade noch auffangen konnte, ohne seinen Bruder loszulassen. »Cal wiegt fast ’ne halbe Tonne!«
»Pech!«, fauchte Drake. »Legt mal einen Zahn zu!«
Der Schweiß lief den Jungen in Strömen übers Gesicht, während sie weiterstrauchelten; die Erschöpfung und der Mangel an Nahrung machten ihnen schwer zu schaffen. Will hatte einen faulen Geschmack im Mund, als würde sein Körper die letzten Kraftreserven verbrennen. Dazu kam ein unangenehmes Schwindelgefühl, und er fragte sich, ob es für Chester genauso schwer war wie für ihn. Cal machte es ihnen auch nicht gerade leichter, da er sich wand und zuckte. Offensichtlich hatte er keine Ahnung, was mit ihm geschah, und versuchte, sich loszureißen.
Schließlich erreichten sie den Rand der Großen Prärie. Will und Chester konnten vor lauter Erschöpfung kaum noch die Beine heben. Mit letzter Kraft
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