Tunnel - 02 - Abgrund
verkriechen und abkratzen«, fügte sie kühl hinzu und setzte sich in Bewegung. Doch im nächsten Moment hielt sie inne und drehte den Kopf zu Will um. »Und wenn du noch mal in diesem Ton mit mir redest, dann häng ich dich ab. Mir egal, was Drake denkt, aber wir brauchen dich nicht so verdammt nötig wie du uns. Kapiert?«
Sofort verflog Wills Wut; er geriet ins Stottern und bereute seine Worte bereits. Elliott rührte sich nicht von der Stelle – sie erwartete eine klare Antwort.
»Äh … ja … ’tschuldigung«, murmelte Will. Ernüchtert musste er sich eingestehen, wie sehr sein Wohlergehen und das der anderen Jungen von Elliott und Drake abhingen. Sie drei hätten in dieser wilden und gesetzlosen Region nicht lange überlebt, wenn ihnen niemand zu Hilfe gekommen wäre. Er, Chester und vor allem Cal lebten von den schwer erarbeiteten Fähigkeiten anderer und sie taten gut daran, dafür dankbar zu sein. Elliott drehte sich um und lief weiter; Will folgte ihr in den dunklen Tunnel.
»Entschuldigung«, sagte er ein weiteres Mal in die Dunkelheit vor ihm, doch Elliott reagierte nicht.
Eine Stunde später, nachdem sie ein verwirrendes Labyrinth von Gängen hinter sich gelassen hatten, hielt Elliott schließlich inne und schien am Fuß einer Tunnelwand nach etwas zu suchen. Der Boden war mit Geröll übersät; dazwischen lagen große schildartige Felsplatten, die das Mädchen nun als Trittsteine nutzte. Plötzlich blieb sie stehen.
»Hilf mir mal«, sagte sie knapp und begann, eine der Steinplatten anzuheben. Will packte die andere Seite, und mit vereinten Kräften zogen sie die Platte beiseite, unter der ein kleines Loch im Boden zum Vorschein kam.
»Bleib dicht hinter mir – abseits dieses Wegs gibt es Höhlen mit Rotglühern«, riet Elliott dem Jungen.
Will erinnerte sich, dass Tarn diese Rotglüher einmal erwähnt hatte. Trotzdem hielt er es nicht für den geeigneten Moment, Elliott zu fragen, worum es sich dabei handelte. Außerdem ließ sie sich gerade in das Loch hinunter und kroch weiter. Gehorsam folgte Will ihr auf dem Fuß und fragte sich, wohin der Weg wohl führte. Da er nichts sehen konnte, nutzte er seine Hände, um die Gegend zu ertasten; dabei stellte er fest, dass der Tunnel leicht oval war und von Wand zu Wand fast einen Meter maß. Will folgte den Geräuschen, die Elliott vor ihm machte, doch an manchen Stellen lagen der Schotter und der Steinsplitt so hoch, dass er Mühe hatte, vorwärts zu kommen. Dann war er gezwungen, sich durch das Geröll zu schlängeln und es mit den Füßen nach hinten zu schieben, um weiterkriechen zu können.
Der Tunnel stieg steil an, und Elliotts Bewegungen vor ihm schickten kleine Gerölllawinen in seine Richtung. Will wagte es nicht, sich zu beschweren, und hielt ein paar Mal inne, um sich den Staub und den Dreck aus dem Gesicht zu wischen.
Plötzlich war von Elliott nichts mehr zu hören. Will wollte gerade nach ihr rufen, als er den Widerhall ihrer Bewegungen in einem größeren Raum wahrnahm. Rasch kletterte er den letzten, fast vertikal ansteigenden Tunnelabschnitt hinauf, warf einen Blick durch sein Nachtsichtgerät und erkannte, dass sie sich in einer breiten Kammer befanden. Elliott lag bäuchlings neben einem tiefen Spalt im Boden. Will klopfte sich den Dreck von der Kleidung und begann zu husten – er hatte ziemlich viel Staub eingeatmet.
»Klappe«, knurrte Elliott.
Es gelang Will, den Hustenanfall mit seinem Ärmel zu dämpfen; dann kroch er zu Elliott und legte sich ebenfalls flach auf den Boden.
Gemeinsam starrten sie durch den zerklüfteten Spalt im Gestein: Aus schwindelerregender Höhe schauten sie in eine riesige, kathedralenartige Höhle hinein. Weit unter ihnen konnte Will das Flimmern zahlreicher Lichtpunkte erkennen. Er zog sich ein wenig von der Spalte zurück und drehte den Kopf leicht, damit er eine bessere Sicht auf den Bereich bekam, in dem mehrere seltsam aussehende Maschinen standen. Im Schein der Lichter am Höhlenboden zählte Will insgesamt zehn dieser Gerätschaften, die in einer Reihe geparkt waren.
Sie wirkten wie gedrungene Walzen, mit jeweils einem gezackten, radartigen Apparat am Ende. Will erinnerten sie an Bilder, die er von der Errichtung der Londoner U-Bahn und den damals verwendeten Gerätschaften gesehen hatte, und er ging sofort davon aus, dass es sich hier um Grabungsgerät handeln musste. Im nächsten Moment entdeckte er mehrere Gruppen ruhig dastehender Koprolithen und eine Handvoll Styx, die sie
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