Tunnel - 02 - Abgrund
das Gleiche zweimal.
Sarah war davon überzeugt, wenn sie auch nur ansatzweise in eine Routine oder ein Muster verfiel, würden die Styx sie blitzschnell aufspüren.
Unter Angabe eines falschen Namens und einer falschen Adresse buchte sie ein Zimmer für eine Nacht und bezahlte im Voraus. Sie nahm den Schlüssel von dem Pensionswirt, einem runzligen alten Mann mit schlechtem Atem und strähnigen grauen Haaren, und überprüfte auf dem Weg zu ihrem Zimmer, wo sich der Notausgang befand. Auch die Existenz einer zweiten Tür, von der sie annahm, dass sie aufs Dach führte, registrierte sie gewissenhaft. Nur für den Fall eines Falles. Nachdem sie ihr Zimmer gefunden hatte, schloss sie die Tür sorgfältig hinter sich ab und keilte einen Stuhl unter die Türklinke. Dann zog sie die von der Sonne ausgebleichten Vorhänge zu und hockte sich auf das Fußende des Betts, um ihre Gedanken zu sammeln.
Ein nasales Lachen, das von der Straße zu ihr heraufdrang, riss sie aus ihrer Konzentration, und im Bruchteil einer Sekunde war sie aufgesprungen und zum Fenster gestürzt. Vorsichtig zog sie den Vorhang ein wenig zur Seite und spähte in beide Richtungen die Straße entlang. Ihr Blick wanderte über die dicht geparkten Wagen. Dann hörte sie das Lachen erneut und sah zwei Männer in Jeans und T-Shirt, die in Richtung Hauptstraße schlenderten und völlig harmlos wirkten.
Sarah kehrte zum Bett zurück, legte sich darauf und streifte ihre Schuhe ab. Sie gähnte und fühlte sich ziemlich müde, aber sie durfte sich nicht erlauben einzuschlafen. Um sich zu beschäftigen, schlug sie den Highfield Bugle auf, eine Zeitung, die sie von der Rezeption auf ihr Zimmer mitgenommen hatte. Wie üblich holte sie einen Stift hervor, blätterte direkt zu den Kleinanzeigen im hinteren Teil des Lokalblatts und umkringelte jedes Stellenangebot für Aushilfskräfte, das möglicherweise für sie infrage kam. Nachdem sie diesen Bereich durchforstet hatte, blätterte sie langsam zurück, um den Rest der Zeitung zu lesen, und überflog die Artikel ohne großes Interesse.
Zwischen den Spalten, die die Vor- und Nachteile einer Fußgängerzone auf dem alten Marktplatz erörterten, die Anlage neuer Straßenschwellen zur Verkehrsberuhigung anregten und die Einrichtung einer weiteren Busspur befürworteten, fiel ihr ein Artikel besonders ins Auge.
DIE BESTIE VON HIGHFIELD
von unserem Reporter T. K. Martin
Am vergangenen Wochenende wurde auf dem Gemeindeland erneut ein mysteriöses hundeartiges Tier gesichtet. Mrs Croft-Hardinge aus dem Clockdown Estate führte am Samstagabend gerade ihren Basset Goldy aus, als sie die Kreatur in den unteren Ästen eines Baums entdeckte.
»Es kaute auf irgendetwas herum, was ich zuerst für den Kopf eines Stofftiers hielt, bis ich überall das Blut sah und mir klar wurde, dass es sich um ein Kaninchen handelte« , berichtete sie unserem Reporter vor Ort. »Das Tier war riesig, mit schrecklichen Augen und Furcht einflößenden Zähnen. Als es mich bemerkte, spuckte es den Kopf einfach aus, und ich könnte schwören, dass es mich direkt angesehen hat. «
Die bisherigen Berichte über das Erscheinungsbild des Tiers sind widersprüchlich. Manche beschreiben es als eine Art Jaguar oder Puma, vergleichbar den Beobachtungen einer großen Katze in Bodmin Moor, die erstmals in den Achtzigerjahren gesichtet wurde, während andere eher von einem hundeartigen Körperbau berichten. Der hiesige Leiter des Grünflächenamts, Mr Kenneth Wood, ließ kürzlich eine großflächige Suche in den Parkanlagen von Highfield durchführen, da einer der dortigen Bewohner behauptet hatte, die Bestie sei mit seinem kleinen Zwergpudel davongestürmt, nachdem sie ihm die Hundeleine förmlich von der Hand gerissen habe. Andere Einwohner des Stadtteils Highfield wussten zu berichten, dass in den vergangenen Monaten zahlreiche Hunde spurlos verschwunden seien.
Das Rätsel ist also nicht gelöst …
Mit kurzen, abgehackten Strichen begann Sarah, den Rand neben dem Artikel über das unbekannte wilde Tier zu bekritzeln. Obwohl sie nur ihren alten Kugelschreiber benutzte, dauerte es nicht lange, bis ein kunstvoll detailliertes Abbild eines Friedhofs im Mondschein entstanden war. Ein Friedhof, der dem alten Kirchhof ähnelte, wo sie während ihrer ersten Nacht in Übergrund Zuflucht gesucht hatte. Doch hier endeten die Ähnlichkeiten auch schon, da Sarah im Vordergrund einen großen Grabstein gezeichnet hatte. Eine Weile starrte sie
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