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Tunnel - 02 - Abgrund

Tunnel - 02 - Abgrund

Titel: Tunnel - 02 - Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
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Elliott wirkte todernst.
    »Kapierst du es denn nicht? Dadurch, dass er eingeschlafen ist, hätte er uns alle ins Verderben reißen können«, sagte sie und warf erneut einen raschen Blick übers Wasser. »Wir wissen nicht, womit sie uns beim nächsten Mal angreifen werden … wenn es sich um Grenzer handelt, werde wahrscheinlich nicht einmal ich sie kommen sehen. Aber es könnten auch Zivilisten sein: Die werden häufig als Vorhut geschickt, weil sie fast nichts wert sind – reines Kanonenfutter. So arbeiten die Styx manchmal … Die Soldaten folgen dann später, um aufzuräumen.«
    »Ja, aber …«, setzte Chester an.
    »Nein, jetzt hör du mir mal gut zu: Schon der kleinste Fehler kann dazu führen, dass man da drin landet … und zwar mit dem Gesicht nach unten«, sagte sie eisig und zeigte mit dem Daumen auf das Meer. Sie schien einen Moment nachzudenken, schwang sich dann das Gewehr über die Schulter, trat hinter Cal und schlug ihm fest auf den Hinterkopf.
    »Auuuuuuuu!«, schrie er auf, sofort hellwach. Panisch sprang er auf und fuchtelte wild mit den Armen. Doch dann begriff er, dass Elliott ihm einen Schlag verpasst hatte, und starrte sie zornig an.
    »Wenn du das unter einem Scherz verstehst, kannst du es vergessen!«, schnaubte er verärgert. »Ich finde das nämlich überhaupt nicht lustig …«
    Aber ihr versteinertes Gesicht verriet ihm mehr, als er wissen wollte, und sein Protest blieb ihm im Hals stecken.
    »Wer Wache hat, hat gefälligst nicht einzuschlafen!«, knurrte sie drohend.
    »’tschuldigung«, murmelte Cal, strich sich das Hemd glatt und machte einen zutiefst beschämten Eindruck.
    »Ich dachte, ich hätte Stimmen gehört«, sagte Will, rieb sich verschlafen die Augen und richtete sich auf. »Was ist los?«
    »Nichts, ich bereite bloß das Abendessen vor«, erwiderte Elliott, warf Cal hinter Wills Rücken einen letzten, langen Blick zu und führte dabei ihre Hand mit einer ruckartigen Bewegung über ihre Kehle. Cal nickte niedergeschlagen.
     
    Elliott grub eine Vertiefung in den Sand, ließ Chester und Cal Holz und Gestrüpp sammeln und verteilte es am Rand der Mulde. Als alles zu ihrer Zufriedenheit war, entzündete sie tief in der Senke ein kleines Feuer. Während die Flammen zu lodern begannen, arrangierte sie das Gestrüpp so, dass kein Streulicht nach außen dringen konnte.
    Währenddessen sahen Chester und Cal zu, wie Will mit steifen Beinen auf eine Reihe von Wasserbecken zwischen den Felsen am Meeresufer zuwankte. Er nahm das Sichtgerät ab und spritzte sich Wasser ins Gesicht. Dann reinigte er sich scheinbar ewig lange die Hände, wobei er sie wieder und wieder mit nassem Sand scheuerte und anschließend langsam und methodisch abspülte.
    »Meinst du, ich sollte zu ihm gehen? Er benimmt sich irgendwie seltsam«, wandte Chester sich an Elliott, während er das merkwürdige Verhalten seines Freundes beobachtete. »Was ist denn mit seinen Händen?«
    »Nachwirkungen«, sagte sie knapp, woraus Chester und Cal aber auch nicht schlauer wurden. Nachdem sie erfahren hatten, dass Will möglicherweise Drake erschossen hatte, waren die beiden Jungen sehr erleichtert gewesen, dass sich noch keine Gelegenheit ergeben hatte, mit ihm darüber zu sprechen. Das, was dort geschehen war, hatte eine Distanz zwischen ihnen geschaffen und Will in eine Situation versetzt, die sie nicht einmal ansatzweise begreifen konnten.
    Wie sollten sie mit ihm umgehen? Obwohl Chester und Cal nicht im Traum daran gedacht hätten, miteinander offen über diese Frage zu reden, ging sie beiden Jungen nicht aus dem Kopf. Ganz sicher konnten sie ihm nicht auf die Schulter klopfen und ihn beglückwünschen. Sollten sie Will wegen Drakes Tod bemitleiden und ihn zu trösten versuchen, wo er dessen Tod doch erst verursacht hatte? Tatsache war, dass sie sich nicht gerade wenig vor Will fürchteten. Wie war ihm zumute nach dem, was er getan hatte? Er hatte ja nicht nur Blut an den Händen, weil er einen Menschen getötet hatte … er hatte Drake erschossen … einen von ihnen … ihren Beschützer und Freund … seinen Freund.
    Während Chester besorgt Elliott musterte, fragte er sich erneut, wie sie damit umging. Nach dem kurzen Moment, in dem sie ihm ihre verletzliche Seite offenbart hatte, schien sie wieder ihr altes Ich angenommen zu haben und sich mit ganzer Kraft ihrer Aufgabe zu widmen: auf sie aufzupassen. Chesters Gedanken wurden unterbrochen, als Elliott die Nachtkrabbe aus dem Beutel holte und auf den Sand warf.

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