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Turils Reise

Turils Reise

Titel: Turils Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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Vene. Augenblicklich setzte das Gefühl angenehmer Sättigung ein. Erst jetzt bemerkte er, wie groß die Erschöpfung nach der Flucht von Domiendram gewesen war - und wie sehr ihn der Albtraum wirklich mitgenommen hatte.

    »Danke«, sagte Turil zur Nahrungskanaille.
    Sie löste sich stumm von ihm, zwinkerte ihm vertraulich zu und verließ mit hektischem Flügelschlag das Zimmer.
    Turil legte die Beine auf den Beistelltisch und ließ sie vom Feuer wärmen. Jene Dämonen, denen er während der Schlafperiode begegnet war, hatten sich bereits wieder verflüchtigt; jetzt konnte er kaum noch glauben, dass er sich vor ihnen gefürchtet hatte.
    »GELFAR?«
    »Ja, Turil?«
    »Das Bordbulletin, bitte.«
    »Gerne.«
    Ein Stoß Datenfolien wuchs aus dem Holz des Tisches. Turil arbeitete sich desinteressiert durch die Routineberichte. Mehrheitlich ging es um periphere Reparaturarbeiten in den Tiefen des Schiffes, die ohnehin vom Schiffsgehirn in Eigenverantwortung durchgeführt wurden. Ein Virtuellbildner war am Ende seines Lebenszyklus angelangt und würde im Friedenshof Grau ersetzt werden müssen. Der unbedeutende Kreavatar namens Gramp, ein Jammerlappen, der seinen Tod nie verwunden hatte, war wegen eines Selbstabschaltungsversuches mit einer mehrjährigen Strafverbannung an seinen Verankerungsplatz belegt worden. Momed verlangte nach ihm; das Schiffskind fühlte sich einsam. Pramains seelischer Zustand war auf niederem Niveau stabil geblieben; Licht und Schatten beobachteten den ungebetenen Gast.
    Ohne viel nachzudenken, unterzeichnete Turil das Bulletin. Es war protokollarischer Natur und würde in den Tiefen des Datenlagers von Friedenshof Grau verschwinden.
    Turil betrachtete nachdenklich die letzten paar Blätter. Eine wichtige Entscheidung stand an: Wie sollte er die Kapazitäten,
die er nach dem frühzeitigen Abschied von Domiendram zur Verfügung hatte, möglichst gewinnbringend einsetzen? Muße war ein Wort, das im Sprachschatz der Totengräber so gut wie nicht vorkam.
    »In unserem Sektor gibt es keine Aufträge, die wir vorziehen könnten«, meinte die Schiffssphäre auf seine Nachfrage. »Ich habe aber Informationen aus Nachbarbereichen. Die Schiffssphäre deines Kollegen Kiriast bittet um Unterstützung. Ihr Herr schiebt seit geraumer Zeit mehrere Termine vor sich her. Willst du …?«
    »Ja. Ich möchte mit ihm sprechen.«
    Die Erstellung der Verbindung zu Kiriast nahm eine Weile in Anspruch. Turil streckte die Arme durch und genoss die Vibro-Massage des Fauteuils im Nackenbereich. Kiriast war ein seniler Knabe, der seit geraumer Zeit Schwierigkeiten hatte, seine Aufgaben termingerecht zu erledigen. Er hatte sich seine Meriten vor vielen Jahren auf dem Gebiet thanatologischer Grundgesetze verdient und galt als der Architekt ihrer jetzigen Verfassung, des sogenannten Totenmanifestes. Der einst als modern und visionär geltende Kiriast hatte all seine Kraft in dieses Werk eingebracht. Müde und ausgebrannt hatte er danach die herkömmliche Totengräber-Laufbahn eingeschlagen, ohne den hohen Ansprüchen der Arbeit jemals gerecht werden zu können. Er weigerte sich seit Jahren hartnäckig, seine Schiffssphäre zu verlassen und in eines der Archive von Friedenshof Grau zu wechseln. Niemand wagte es, ihn abzuberufen. Viele Mitglieder alteingesessener Familien standen hinter ihm und ließen ihn gewähren - und wenn er sich noch so seltsame Narreteien leistete.
    Turil unterdrückte ein Lächeln. Das so ausgeklügelte, von Emotionen weitgehend befreite Gesellschaftssystem
der Totengräber barg Schlupflöcher - und erlaubte Fehler. Dieses Wissen gab ihm ein Gefühl der Befriedigung.
    »Die Verbindung steht«, unterbrach die GELFAR seine Gedanken.
    »Ich grüße dich, Kiriast«, sagte Turil in Richtung des hutzelig wirkenden Alten, der von Goldflitter umrahmt in der Übertragungsbox auftauchte.
    »Ah - der junge Turil«, mümmelte der Greis. »Wie geht es deiner Familie?«
    »Ich habe schon lange nicht mehr mit meinen Eltern gesprochen. Aber ich werde beim Großen Thang die Gelegenheit nutzen und Pschoim einen Besuch abstatten.«
    »Das Große Thang?« Kiriast wirkte irritiert, fing sich aber rasch wieder. »Natürlich, wie konnte ich bloß vergessen …« Kiriast rieb über die tropfende Nase und wischte seine Hand dann am verschlissenen Zeremonienmantel ab. »Verzeih meine momentane Zerstreutheit - aber warum wollte ich eigentlich mit dir sprechen?«
    » Ich habe mit dir Kontakt aufgenommen.« Turil unterdrückte den

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