Turm der Hexer
die leiseste Ahnung«, gab Silk offen zu.
»Du sagst doch immer, daß du dich überall auskennst«, warf Garion ihm vor.
»Hier in den Sümpfen gibt es keine festen Wege, Garion«, erklärte Silk. »Man kann nur immer gegen die Strömung steuern und das Beste hoffen.«
»Es muß doch einen Weg geben«, beharrte Garion. »Warum setzt man keine Markierungen?«
»Das hätte keinen Zweck. Sieh mal.« Der kleine Mann stieß mit seiner Stange gegen eine scheinbar feste, kleine Erhebung, die neben ihrem Boot aus dem Wasser ragte. Der Hügel trieb träge davon. Garion starrte ihm verwundert nach.
»Es ist schwimmende Vegetation«, sagte Belgarath und unterbrach sein Staken, um sich den Schweiß vom Gesicht zu wischen. »Es fallen Samen darauf, und das Gras wächst wie auf fester Erde nur ist es keine feste Erde. Wind und Strömung treiben es davon. Deswegen gibt es hier auch keine dauerhaften Kanäle und keinen festgelegten Weg.«
»Und es ist nicht immer der Wind oder die Strömung«, setzte Silk finster hinzu. Er blickte in die untergehende Sonne. »Wir sollten uns einen festen Anlegeplatz für die Nacht suchen«, schlug er vor.
»Wie wäre es damit?« Belgarath deutete auf eine mit Gebüsch bewachsene Erhebung, die etwas höher war als die Umgebung. Sie stakten dorthin, und Silk trat ein paarmal prüfend dagegen. »Es scheint fest zu sein«, bestätigte er. Er stieg aus dem Boot und kletterte hinauf, wobei er mehrmals heftig aufstampfte. Der Boden antwortete mit einem zufriedenstellenden, soliden Geräusch. »Hier oben ist ein trockenes Fleckchen«, berichtete er, »und auf der anderen Seite etwas Treibholz. Wir können zur Abwechslung mal auf festem Boden schlafen und vielleicht sogar eine warme Mahlzeit essen.«
Sie zogen das Boot weit den Hang hinauf, und Silk unternahm einige recht ausgefallene Anstrengungen, um sicherzugehen, daß das Boot auch wirklich fest vertäut war.
»Ist das nicht überflüssig?« fragte Garion.
»Es ist zwar kein besonderes Boot«, antwortete Silk, »aber das einzige, das wir haben. Damit möchte ich kein Risiko eingehen.«
Sie entfachten ein Feuer und stellten dann ihr Zelt auf, während die Sonne in einer Wolkenbank im Westen versank und die Sümpfe in rötliches Glühen tauchte. Silk brachte einige Pfannen zum Vorschein und begann sich um das Abendessen zu kümmern.
»Es ist zu heiß«, stellte Garion kritisch fest, als der rattengesichtige kleine Mann Speckscheiben in eine heiße Pfanne legen wollte.
»Möchtest du es selbst machen?«
»Ich wollte dich nur warnen.«
»Ich habe nicht deine Vorteile gehabt, Garion«, bemerkte Silk spitz.
»Ich bin nicht wie du in Polgaras Küche aufgewachsen. Ich mache es, so gut ich kann.«
»Du mußt deswegen nicht gleich brummig werden«, meinte Garion. »Ich dachte nur, du würdest gerne wissen, daß die Pfanne zu heiß ist.«
»Ich glaube, ich kann ohne weitere Ratschläge auskommen.«
»Wie du willst, aber du wirst den Speck verbrennen.«
Silk warf ihm einen gereizten Blick zu und warf Speckscheiben in die Pfanne. Sie zischten und brutzelten, und die Ränder wurden fast sofort schwarz.
»Habe ich doch gesagt«, murmelte Garion.
»Belgarath«, beschwerte sich Silk, »sag ihm, daß er mich in Ruhe lassen soll.«
»Komm da weg, Garion«, befahl der alte Mann. »Er kann auch ohne deine Hilfe das Essen verbrennen.«
»Vielen Dank«, antwortete Silk sarkastisch.
Die Mahlzeit war jedoch nicht völlig ungenießbar. Nachdem sie gegessen hatten, betrachteten sie das verlöschende Feuer und die Abendröte, die über das Moor kroch. Die Frösche begannen wieder mit ihrem Chor im Schilf, und Vögel ließen sich auf den schwankenden Rohrstengeln nieder, zwitschernd und schläfrig vor sich hinmurmelnd. In dem braunen Wasser plätscherte es leise, und manchmal explodierten Blasen, wo Sumpfgas gurgelnd an die Oberfläche stieg. Silk seufzte bitterlich. »Ich hasse dieses Land«, sagte er. »Ich hasse es aus tiefstem Herzen.«
In dieser Nacht hatte Garion einen Alptraum. Es war nicht der erste, seit sie Riva verlassen hatten, und er setzte sich schweißgebadet und zitternd auf, überzeugt, daß es auch nicht der letzte sein würde. Der Alptraum war nicht neu, sondern verfolgte ihn schon seit seiner Kindheit immer wieder im Schlaf. Anders als ein normaler schlechter Traum, handelte dieser nicht davon, daß er gejagt oder bedroht wurde, sondern bestand nur aus einem einzigen Bild dem Bild eines grauenhaft entstellten Gesichts. Obwohl er den
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