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Turm der Lügen

Turm der Lügen

Titel: Turm der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cristen
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kurze Regierungszeit des Zänkers hatte die Probleme des Landes verschärft. Es hatte sich auch erwiesen, dass sein engster Ratgeber, Valois, nicht der Mann war, der die Gemüter im Land beruhigen konnte. Die Mehrheit der Mitglieder des
grand conseil
war am Ende überzeugt, dass nur Philippe in der Lage sein würde, als Regent die vielfältigen Aufgaben zu bewältigen.
    Am Ende eines bedeutungsvollen Tages verbeugte sich Philippe im Königspalast auf der
Île de la Cité
vor der bleichen, schwangeren Königin. In ihrem weißen Witwengewand wirkte Clementia durchsichtig, fast ein wenig hinfällig.
    »Ich bin erschüttert, Euch unter so traurigen Umständen wiederzusehen, liebste Schwester«, begrüßte er die Schwägerin herzlich in ehrlichem Mitgefühl. »Sagt mir, was ich für Euch tun kann?«
    Clementia war hocherfreut über Philippes Besuch. Durfte sie hoffen, mit seiner Hilfe dem riesigen, einsamen Palast zu entkommen? Valois hatte sie wie ein Kind behandelt. Ungefragt war sie von ihm nach Paris gebracht worden. Sie sehnte sich nach Vincennes.
    »Werdet Ihr mir erlauben, nach Vincennes zurückzukehren?«, fragte sie deswegen auf der Stelle. »Mein Kind soll dort zur Welt kommen, wo seine Eltern so viele harmonische Stunden miteinander geteilt haben. Ich gehöre nicht nach Paris, Bruder.«
    Clementia spielte ihm in die Hände. Sie zeigte keinerlei politische Ambitionen. Philippe stellte es mit einer gewissen Genugtuung, auch mit Beruhigung fest. Er wollte nicht im Streit mit ihr sein.
    »Ihr könnt Euch auf meine Hilfe und meinen Schutz verlassen«, versicherte er ihr. »Alles wird geschehen, wie Ihr es wünscht. Erlaubt jedoch bitte, dass Jeanne in Paris an meiner Seite bleibt. Ich würde sie jetzt gerne ebenfalls begrüßen.«
    Clementia stutzte erkennbar. »Jeanne befindet sich nicht mehr unter meinen Damen. Sie hat mich ohne Abschied in Vincennes verlassen. Niemand konnte mir sagen, wohin sie gegangen ist. Erst Valois hat herausgefunden, dass sie im Hause ihrer Mutter lebt. Ich bedaure das sehr. In den schlimmen Tagen nach Louis’ Tod war sie meine einzige Stütze.«
    Philippe ließ sich seine Überraschung nicht anmerken. Mit einer kurzen Verneigung verabschiedete er sich.
    »Dann erlaubt, dass ich alles Nötige für Eure Abreise nach Vincennes in die Wege leite. Euer Wohlergehen liegt mir am Herzen.«
    Als Valois, von Fontainebleau kommend, schließlich mit Charles im Gefolge in Paris eintraf, waren die Entscheidungen längst gefallen.
    Louis von Evreux hatte im Rat den offiziellen Antrag eingebracht, Philippe zum Regenten zu ernennen. Da er bei dieser Gelegenheit seinem Neffen den Lehnseid schwor und ihm andere folgten, musste Valois das böse Spiel verloren geben. Einmal mehr hatte er sich bei weitem überschätzt.
    * * *
    »Mein Kompliment«, empfing Mahaut Philippe, als er nach der Sitzung des Regentschaftsrates in ihrem Haus erschien. »Ihr seht mich entzückt, Euch in Amt und Würden zu wissen. Ihr seid der beste Regent, den Frankreich in diesen schwierigen Zeiten bekommen kann.«
    Er ignorierte die Schmeichelei und konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf Jeanne. Sie saß in einem Scherenstuhl neben einem kleinen Kaminfeuer. Séverine stand neben ihr und hielt die jüngste Tochter im Arm. Im Raum lag eine erwartungsvolle Stille.
    Jeanne lächelte ihm strahlend entgegen und erhob sich betont langsam. »Willkommen, mein Gemahl«, begrüßte sie ihn mit ihrer melodischen Stimme.
    Sie tat einen Schritt auf ihn zu. Das dünne Gewand zeichnete die Konturen ihrer Figur nach. Endlich sah er es.
    »Du bekommst ein Kind!«
    Sie nickte in kaum verhohlenem Stolz. »Ich erwarte die Niederkunft im Herbst. Alle Zeichen deuten darauf hin, dass es ein Sohn wird.«
    »Tun sie das nicht immer?«, rutschte es Philippe ungeschickt heraus.
    »Nicht so sicher wie dieses Mal«, antwortete Mahaut an Jeannes Stelle.
    »Dann hoffen wir also, dass Ihr dieses Mal recht behaltet, Mutter.«
    Philippe ergriff Jeannes Hände und zog sie an sich. Er versuchte, ihr mit Blicken zu sagen, was nicht für die Ohren Mahauts bestimmt war. Seine Schwiegermutter machte keine Anstalten, sich zurückzuziehen.
    »Kehren wir ins
Hôtel d’Alençon
zurück oder nehmen wir im Palast Wohnung?«, fragte Jeanne. »Ihr seht aus, als hättet Ihr seit geraumer Zeit nicht mehr im eigenen Bett geschlafen.« Auch sie scheute sich, vor ihrer Mutter vertrauter zu sprechen.
    »Keines von beiden. Du bleibst am besten bei deiner Mutter«, beschied Philippe

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