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Turm der Lügen

Turm der Lügen

Titel: Turm der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cristen
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könnte meinen, es gäbe in diesen Zeiten nichts Wichtigeres.«
    »Zumindest wirst du dich nicht ewig davor drücken können, deine Pflicht zu tun.« Philippe goss den Anjou-Wein in silberne Becher. Er zog ihn dem Burgunder vor.
    »Mir widerstrebt der Gedanke, eine Frau an meiner Seite zu haben«, gab Adrien zu.
    »Eine Frau, die nicht Séverine Gasnay heißt«, sagte ihm Philippe auf den Kopf zu. »Ich habe nicht vergessen, was du mir in Pontoise gestanden hast. Dieses wohlgehütete Geheimnis, von dem du gesprochen hast. Ich will keine Einzelheiten wissen, aber eines musst du mir doch sagen: Besteht eine Blutsverwandtschaft zwischen Séverine und Jeannes burgundischer Familie?«
    »Warum sollte das von Interesse sein?«, sträubte sich Adrien gegen eine direkte Antwort.
    »Das weißt du sehr wohl. Ich muss alles vermeiden, was Jeanne in den Augen des Königs unbequem macht. Jede unpassende Kleinigkeit könnte meinen Vater daran hindern, sie endlich zu begnadigen. Ich verlange zu wissen, welche möglichen Gefahren in diesem Rätsel für mich und Jeanne lauern.«
    Die Forderung stürzte Adrien in einen Gewissenskonflikt. Er schuldete Philippe Gehorsam und hatte Séverine geschworen, ihr Geheimnis zu wahren. In Pontoise war es ihm gelungen, der Antwort auszuweichen. Heute musste er sich entscheiden. Philippes unfehlbarer Instinkt ließ ihn die richtigen Fragen stellen.
    »Séverine ist deiner Frau ebenbürtig«, sagte er schließlich wortkarg und ohne genauere Erklärung.
    »Gott bewahre.« Philippe fuhr von seinem Sitz hoch. Dass er dabei den Becher umwarf und den Wein verschüttete, beachtete er nicht. »Das würde ja bedeuten …«
    Er zwang sich, seine Vermutungen nicht auszusprechen, und dachte intensiv nach, ehe er einen düsteren Blick auf Adrien richtete. »So wie es aussieht, wäre es das Vernünftigste, sie zu verstecken und zu vergessen. Aber die Kinder brauchen sie, und Jeanne könnte ich nicht erklären, warum sie verschwunden ist. Nach Jeannes Rückkehr …«
    »… werde ich sie zu meiner Frau machen«, unterbrach Adrien so schnell, dass ihm erst danach klar wurde, was er da gesagt hatte.
    »Das ist verrückt. Dafür erhältst du nie die Erlaubnis deines Vaters.«
    »Deswegen werde ich deine Hilfe brauchen. Und um die bitte ich dich. Ich habe dich bis zum heutigen Tage nie um einen Lohn gebeten. Wenn du bei deinem Vater für mich sprichst, sobald genügend Gras über alles gewachsen ist, kann er nichts gegen eine solche Heirat einwenden. In diesem Fall muss auch mein Vater akzeptieren, was geschieht.«
    Sprachlos starrte Philippe seinen Haushofmeister und Freund an. Die Bitte abzulehnen bedeutete, Adrien zu brüskieren. Dennoch sah er keine Möglichkeit, sie zu erfüllen. Da er nicht der Mann war, der sich hinter lauen Ausreden versteckte, bedachte er seine nächsten Worte sorgfältig.
    »Sei vernünftig. Du könntest das Mädchen nur zur Frau nehmen, wenn ihre Herkunft offengelegt würde. Das verbietet sich unter diesen Umständen völlig. Ganz davon abgesehen, dass der König über ihre Heirat bestimmen müsste, wenn sie tatsächlich zu unserer Familie gehört. Nimm Abstand von deinen Plänen. Heirate eine Kandidatin von der Liste deines Vaters und sieh zu, dass die Flavys ihren Erben bekommen.«
    »Nein.«
    In der jähen Stille konnte Adrien ihrer beider Atem hören. Für einen spannungsgeladenen Augenblick trafen sich ihre Blicke. Es war das erste Mal, dass Adrien bewusst Widerstand leistete.
    »Nun, man kann dir nicht vorwerfen, dass du buckelst, um deine Position bei Hofe zu sichern, Adrien«, hörte er Philippe so unbeugsam sagen, dass er nur mit Mühe das Gesicht wahrte. »Ich werde mich nicht dafür einsetzen, dass du dich ruinierst, das kann ich dir schon jetzt sagen. Auch ich habe die Frau geheiratet, die mein Vater für mich ausgesucht hat. Du wirst dasselbe tun müssen. Lass es gut sein. Wir sollten uns auch nicht über Dinge streiten, die in der Zukunft liegen. Wer weiß, was noch geschieht. Im Augenblick gibt es Wichtigeres. Ich habe Neuigkeiten in Erfahrung gebracht.«
    Wie typisch für Philippe, dass er zwar seinen Standpunkt unzweifelhaft klarmachte, aber den offenen Streit vermied. Eine Taktik, die er im Umgang mit Vater und Brüdern verfeinert hatte und die Adrien, in diesem besonderen Moment, erfolgreich den Wind aus den Segeln nahm. Er schwieg. Im Grunde hatte er auch nicht erwartet, auf Anhieb Unterstützung zu finden. Die Angelegenheit war zu schwierig, um in einem einzigen

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