Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Turm-Fraeulein

Titel: Turm-Fraeulein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
langsam an das straff gespannte Haar. »Ein Schnitt, und dann puff.« gackerte sie höhnisch.
    Grundys Verstand arbeitete rasend schnell. Wenn er angriff, würde Sie ihn erst aufspießen und dann das Haar durchtrennen. Seine Hutnadel war ihrem Messer nicht gewachsen. Wenn er die Nadel gegen sie schleuderte, würde sie das zwar einen Augenblick ablenken, konnte ihr aber nicht wirklich wehtun, und dann wäre er ohne jede Waffe. Beschimpfte er sie noch einmal, rächte sie sich einfach dadurch, daß sie das Haar durchschnitt. Er mußte einen anderen Ausweg finden.
    Und er fand ihn: die Logik. »Wenn du dieses Haar durchschneidest, stürzt Rapunzel in den Tod – und dann hast du keinen hübschen jungen Körper mehr, den du übernehmen kannst. Dann sitzt du hier oben fest und kommst nicht mehr rasch nach unten und du hast keinen Körper außer meinen.«
    »Herrje!« schrie sie. Einen Moment betrachtete sie das Messer, dann zog sie es zurück. »Du hast zwar nur zur Hälfte recht, Golem, aber das ist schon mehr als genug. Ich bin nicht auf das beschränkt, was sich in meiner Nähe befindet; wenn ich zum Gespenst werde, kann ich in jede beliebige Entfernung reisen, um mir einen neuen Wirtskörper zu suchen. Aber es stimmt, daß ich solche Dinge lieber nicht dem Zufall überlasse. Ich hätte viel lieber den Körper, den ich so sorgfältig vorbereitet habe, jung und schön, und mit genau dem Wissen ausgestattet, das ich ihm zuteilwerden ließ. Also werde ich sie nicht umbringen.« Sie schnitt eine Grimasse. »Aber für dich habe ich keine Verwendung. Dich kann ich jetzt sofort beseitigen.«
    Sie stieß nach ihm, doch Grundy, der darauf gefaßt gewesen war, schoß in die Höhe, kam wieder runter, als ihre Hand vorbeigefahren war, und rammte ihr die Hutnadel mit Wucht in den Handrücken.
    »Auaaa!« kreischte sie und riß die Hand zurück. Die Nadel blieb darin stecken, und Grundy mußte sie loslassen, um nicht fortgerissen zu werden. Doch er nutzte diesen Augenblick der Verwirrung. Er rannte zur Lampe und versuchte, sie umzuwerfen, denn in der Dunkelheit war er vergleichsweise sicher.
    »Oh nein, das wirst du nicht tun!« rief sie und faßte sich gerade noch rechtzeitig, um die Lampe zu packen. Die war zu schwer für ihn gewesen, um sie sofort umstoßen zu können; dieser Plan war also gescheitert.
    Grundy kletterte zum Fenster empor. Er packte das Haar und ließ sich am Turm daran herab.
    Snorty und Rapunzel waren bereits unten angekommen! Doch nun steckte die Vettel den Kopf aus dem Fenster. »Ich will zwar nicht, daß sie stirbt, aber es wird mir ein Vergnügen bereiten, dich sterben zu lassen, Golem!« rief sie und schwenkte die Klinge gegen das Haar.
    Diesmal hatte sie ihn! Grundy konnte weder loslassen noch sie aufhalten; sein Leben lag in ihren Händen. Doch vielleicht konnte er sich mit seinem Verstand retten. »Wenn du es abschneidest, bist du dort oben immer noch gefangen«, sagte er. »Du kannst dich zwar selbst umbringen und dir einen anderen Körper suchen – aber im Augenblick wird Rapunzel dich nicht annehmen, also mußt du nehmen, was sich gerade anbietet, und danach mußt du einmal mehr sterben, um an Rapunzel ranzukommen. Du wirst sie hierher nach oben schaffen müssen, ohne daß du ihr Haar zum Klettern zur Verfügung hast. Das ist wirklich verdammt viel Mühe, nur um einem einzigen dummen Golem eins auszuwischen.«
    »Verdammt!« fluchte sie. »Daran hatte ich noch gar nicht gedacht! Ich sterbe nicht gerne öfter als notwendig. Erstens tut es weh, und zweitens bin ich nach Eintritt in einen neuen Wirtskörper erst einmal eine Weile lang ziemlich durcheinander. Dann könnte das Mädchen glatt entkommen.«
    »Wirklich zu schade, alter Faltensack!« stimmte er zu.
    Einen Augenblick lang glaubte er, daß er es übertrieben hatte, denn nun fuhr sie wieder mit dem Messer auf das Haar zu. Doch dann bremste sie sich. »Auf diese Weise legst du mich nicht rein, Golem! Ich werde mir meinen Abstieg offenhalten, aber möglicherweise kann ich dich trotzdem noch loswerden!« Und dann packte sie das Haar und begann, daran zu rütteln.
    Grundys Griff wurde ohnehin bereits müde, denn er war es nicht gewohnt, über längere Zeit frei zu hängen. Nun wurde er gegen die Elfenbeinmauer geschleudert. Er saß jetzt schlimmer in der Patsche als zuvor; selbst wenn sie aufhören sollte, an dem Haar zu rütteln, würde es nicht lange dauern, bis er ganz von alleine in die Tiefe stürzen würde.
    Doch wenigstens hatte er Rapunzel

Weitere Kostenlose Bücher