Twin Souls - Die Rebellin: Band 2 (German Edition)
mich, ob ich es immer noch so sehen würde, wenn ich erst einmal begonnen hatte, stundenlang abzutauchen.
Addie zupfte an der Decke.
Sein Bild verblasste. Er war jetzt nur noch ein verschwommenes Gesicht, ein Baby, das jedes beliebige hätte sein können.
, murmelte Addie.
Ich dachte an das erste Mal zurück, als ich allein gewesen war, nachdem Hally und Devon uns die Droge verabreicht hatten. Ich dachte daran zurück, wie es Addie mit dreizehn gegangen war, nach ihrem ersten Mal allein, wie ihre Angst tief in unserer Kehle gebrannt hatte.
Addie verlagerte das Gewicht, lehnte sich gegen das Kopfende des Bettes zurück. Das Holz schmiegte sich kühl an unsere Schulterblätter.
Ich hatte einen Monat gehabt, mich daran zu gewöhnen, der alleinige Bewohner unseres Körpers zu sein. Für Addie war das hier die erste Kostprobe in beinah drei Jahren.
Witzig, dass ich mit etwas mehr Erfahrung hatte als Addie. Ich. Die rezessive Seele.
, fragte ich.
Entgegen ihren Worten bereitete das Ganze Addie mehr Probleme als mir; sowohl mit meiner Abwesenheit umzugehen als auch selbst abzutauchen. Manchmal glitt sie zwischen bewusstem und unbewusstem Zustand hin und her, anstatt vollständig abzutauchen. Sie riss sich ruckartig los, nur um im nächsten Moment den Raum neben mir wieder zu füllen, und zerrte und zog dabei mit solch schwindelerregender Wucht, dass ich regelrecht seekrank wurde. Manchmal saßen wir eine halbe Stunde da und es passierte überhaupt nichts.
Aber als ich es am wenigsten erwartete, durchfuhr mich der Ruck, der bedeutete, dass sie fort war. Ich spürte eine plötzliche Leere, so als sei ein Teil der Welt zu Staub zerfallen. Und es würde so bleiben.
Das dritte Mal, dass es passierte, saß ich sehr ruhig da, so wie die beiden Male zuvor. Wieder war mir alles überdeutlich bewusst. Jeder Atemzug. Das Über-unsere-Haut-Gleiten der Kleidung. Eine Haarsträhne, die an unserer Wange entlangstrich.
Ich zog unsere Nase kraus. Meine Nase, für den Moment.
Die letzten Versuche hatten meine Hoffnung für diesen hier schrumpfen lassen und Addies plötzlicher Erfolg ließ mich vollkommen überrumpelt zurück.
Auf einmal verspürte ich den unkontrollierbaren Drang, mich zu bewegen. Ich konnte keine Sekunde länger herumsitzen. Ich sprang auf. Tigerte durch den Raum. Die Zimmertür war geschlossen, wie üblich. Das schwache Geräusch von Ninas Fernsehsendung drang herein; sie stellte sie nie besonders laut.
Ich starrte die Tür an.
Dann durchquerte ich den Raum, drehte am Türknopf und schwang die Tür auf. Ich hatte unser Zimmer bis dahin nie verlassen – nicht allein in meiner Haut.
Nina hatte sich auf dem Sofa zusammengerollt und bediente sich aus der Schüssel mit Pralinen, die Emalia auf den Wohnzimmertisch gestellt hatte. Ein kleiner Haufen aus glänzenden Papierchen lag zu ihren Füßen. Sie sah hoch, als ich an ihr vorbeiging, und warf mir ein kurzes Lächeln zu. Ich lächelte zurück und sie wandte sich wieder der Fernsehsendung zu. Keine Fragen. Kein Kommentar. Kein Verdacht.
Kein Schimmer. Sie hatte keinen Schimmer.
Warum sollte sie auch?
Der Gedanke, das Falsche daran, bereitete mir ein wenig Übelkeit. Hier war ich, ohne Addie, und niemand wusste davon. Wie konnte es sein, dass niemand davon wusste? Wie konnte es mir nicht auf der Stirn geschrieben stehen? Aus meinen Augen leuchten?
Ich verspürte den plötzlichen Drang, eine von Emalias Pralinen zu essen. Zu sehen, ob sie immer noch genauso schmeckten, jetzt, da Addie fort war. War Zucker immer noch genauso süß? Süßer? Aber ich zwang mich, weiter vorwärtszugehen, auf die Tür zu. Mit jedem Schritt begann ein neues Gefühl das anfänglich falsche, die anfängliche Übelkeit, die sich in meinem Magen geregt hatte, hinwegzuspülen. Ein neues, mich schwindelndes, prickelndes Gefühl – als befände ich mich auf der Schaumkrone einer Welle und blickte auf das rasant näher kommende Ufer. Es schwemmte mich hinaus auf den Flur, brachte mich dazu, die Treppe so schnell hochzujagen, dass ich stolperte.
Ich hämmerte an Henris Wohnungstür. Sie schwang auf. Ich reagierte nicht schnell genug, aber Ryan packte rasch mein
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