Twin Souls - Die Verbotene: Band 1
vom Bett gesprungen, ehe die Tür sich wieder ganz geschlossen hatte, rannte auf sie zu, riss Kitty von ihr weg und fauchte: »Sie haben gelogen. Sie haben gelogen. Sie haben gesagt, es passiere nicht vor Morgen. Sie …«
»Es gab eine Planänderung«, sagte sie. »Das wusste ich nicht.«
»Sie wussten es nicht …«
»Sch , Addie«, sagte Dr. Lyanne. Sie trug noch immer ihren weißen Arztkittel und ihre Haare waren glatt und sorgfältig aus dem Gesicht gekämmt.
»Wieso?«, verlangte ich zu wissen. »Wieso sollte ich ruhig sein?«
»Weil der Wachmann mir nicht erlauben wird, dich mitzunehmen, wenn du einen Aufstand machst«, sagte Dr. Lyanne. »Er steht vor der äußeren Tür, aber er wird angerannt kommen, wenn du weiter so brüllst. Und wenn er das tut, lasse ich dich zurück.«
Ich starrte sie an, dann hinunter zu Kitty, die uns mit so viel banger Hoffnung in den Augen ansah, dass ich kein Wort herausbrachte.
»Ich habe Peter angerufen«, gestand Dr. Lyanne, und es klang, als habe sie versagt, als fühle es sich selbst jetzt noch – selbst da sie mittendrin steckte – falsch für sie an, zu ihrem hybriden Bruder Kontakt aufzunehmen. »Er kennt die Zeit. Er wird hier sein, am Seitenausgang. Sie kommen mit Vans …« Sie stockte. Sah uns an. »Ich bin sicher, dass weißt du schon alles.« Ich nickte wie betäubt. Kittys Hand schloss sich um unsere. »Dieser Junge, Devon. Er ist derjenige, von dem du Peters Leuten erzählt hast, oder? Er kann die Alarme ausschalten?«
Wollte sie uns hereinlegen? Hatte sie unseren Plan irgendwie aufgedeckt und versuchte jetzt – ich wusste auch nicht, was. Aber wenn sie eh schon so viel wusste, wieso hätte sie uns dann aushorchen sollen?
»Ja«, erwiderte ich.
»Dann komm«, sagte Dr. Lyanne. Sie holte etwas aus ihrer Kitteltasche und warf es uns zu. Ich stolperte vorwärts, um es aufzufangen, ehe es zu Boden fiel. Ein Schlüssel. »Für den Wartungsraum. Hast du die Karte noch?« Ich nickte, bückte mich und steckte den Schlüssel in unsere linke Socke, ohne Dr. Lyannes Gesicht auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Der Schlüssel an unserer Haut war kälter als Ryans Chip. »Die anderen Kinder warten. Wir haben nicht viel Zeit.«
»Die anderen Kinder?« Ich runzelte die Stirn. »Alle? Auch Jaime und Hally?«
»Nein«, sagte Dr. Lyanne.
»Dann müssen wir sie holen«, sagte ich. »Es wird nicht lange dauern, mit dem Code …«
Dr. Lyanne schüttelte den Kopf. »So leicht ist das nicht, Addie.«
»Was meinen Sie damit?«, sagte ich. »Natürlich wird es nicht leicht, aber …«
»Du verstehst nicht«, sagte sie.
»Dann erklären Sie es mir.«
Dr. Lyanne wandte den Blick von uns ab und sah das mit Brettern vernagelte Fenster an. »Wir nehmen Hally nicht mit.«
Addie und ich reagierten gleichzeitig, Unglauben traf auf Unglauben, Wut nährte Wut.
»Wie bitte?« Ein fassungsloses Lachen blieb mir im Halse stecken. »Natürlich nehmen wir sie mit.«
Sie schüttelte den Kopf. »Addie, kapierst du nicht? Glaubst du, die Klinik sei nachts völlig leer? Dass alle ihre Sachen packen und die Patienten hier alleine lassen?«
»Nein«, sagte ich. »Nein, natürlich nicht …«
»Es sind immer Ärzte hier«, sagte Dr. Lyanne, und ihre Stimme wurde lauter. »Immer. Immer Krankenschwestern. Immer jemand, der seine Runden dreht.«
»Ja, aber …«
»Außer«, sagte sie, »außer an den Tagen, an denen sie eins von euch Kindern operieren.«
Ich verstummte. Ich musste mich verhört haben. Es konnte nicht sein, dass sie das gerade gesagt hatte. Aber das hatte sie. Sie hatte es und sie redete weiter.
»Addie, die Leute gehen sich das angucken. Sie gehen zusehen. Nicht alle Ärzte, aber ein großer Teil von ihnen. Die gesamte Komission wird dort sein. Und auch die Krankenschwestern werden ausgedünnt sein, sie brauchen sie im OP, also werden weniger von ihnen auf den Fluren unterwegs sein. Ich kann ihnen vormachen, ich würde euch alle zu einer Prüfung abholen. Es wird verdächtig aussehen, aber solange sie nicht …«
»Nein«, sagte ich. »Nein.«
»Hallys Operation ist unsere Chance«, sagte Dr. Lyanne.
»Nein.« Ich brüllte es nicht. Ich schrie es nicht. Aber ich sagte es und unsere Stimme war wie Stahl. »Niemals. Wir lassen sie nicht zurück. Und was ist mit Jaime? Er ist auch da unten. Wollen Sie ihn sich selbst überlassen? Schon wieder?«
Dr. Lyanne machte einen Schritt auf die Tür zu, die Wangen gefährlich gerötet. »Wenn du erst erwachsen bist,
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