Twin Souls - Die Verbotene: Band 1
unseren Rücken auf unsere andere Seite und wieder zurück. Schließlich schlug sie die Augen auf.
‹Es wird alles gut werden›, sagte ich und versuchte damit ebenso sehr mich wie sie zu beruhigen. ‹Uns wird nichts …›
‹Das hier ist deine Schuld›, sagte Addie.
Meine Worte verwelkten.
‹Deine Schuld›, wiederholte sie flüsternd. Ich schmeckte Säure in unserem Rachen. ‹Deine.›
Wasser in unseren Augen. Salz auf unseren Lippen.
‹Ich wollte es von Anfang an nicht›, sagte sie, und jedes Wort fuhr wie eine Klinge in mich, bis mein Inneres wund und blutig war und völlig ausgehöhlt.
Ich versuchte, meinen Schmerz abzublocken, aber ich war noch nie so gut wie Addie darin gewesen, eine Mauer zwischen uns zu errichten. Sie muss alles gespürt haben. Meinen Schmerz, meine Schuld. Und meine Wut.
Ich umarmte Letztere, fühlte, wie sie den hohlen Raum in mir mit Wärme füllte wie eine kleine Sonne.
Addie stieß einen langen, zitternden Seufzer aus. Jedenfalls war es zu Beginn ein Seufzer. Er mündete in ein Schluchzen.
Einst war ich stark genug gewesen, dem Verschwinden zu widerstehen. Ich war zu Rauch reduziert worden, allem beraubt bis auf eine Stimme, die nur Addie hören konnte. Aber ich hatte mich festgeklammert. Ich hatte mich geweigert, loszulassen.
Jetzt betete ich, dass ich stark genug für das sein würde, was uns erwartete. Was es auch sein mochte.
Das Telefon riss uns aus einem Traum über Wasser und Särge. Es war stockfinster. Die Dunkelheit würgte uns, grub ihre Klauen in unsere Kehle.
Addie griff tastend über das Bett. Unsere Finger trafen auf eine endlose Landschaft aus Kissen und Decken. Das Telefon kreischte ununterbrochen. Endlich klatschte unsere Hand auf etwas Hartes und Kühles – den Nachttisch. Addie streckte sich nach dem schwarzen Umriss neben einem noch größeren schwarzen Umriss, der vermutlich eine Lampe war.
»H-hallo?«
»Guten Mor… na ja«, sagte eine fremde Stimme. »Eigentlich es ist ja noch nicht Morgen, oder?«
Wir waren zu verschlafen, um einen vollständigen Satz zu bilden.
»Hallo?«, sagte die Stimme.
Wer …? Oh, richtig. Der Weckanruf.
»Ja«, sagte Addie. »Ja, ich bin wach.« Sie setzte sich auf, indem sie sich mit einem Arm von der Matratze hochstemmte. »Ich bin wach«, wiederholte Addie. Unsere Stimme klang inzwischen etwas kräftiger. »Danke Ihnen.«
»Keine Ursache«, erwiderte die Empfangsdame. »Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.«
Ein Klicken ertönte und dann war die Leitung tot. Wir saßen in der Dunkelheit, den Telefonhörer noch immer an unser Ohr gepresst.
‹Wir müssen aufstehen›, sagte ich leise. In mir hallten noch immer Addies Worte der vergangenen Nacht nach. Deine Schuld. Meine Schuld. ‹Er kommt in einer halben Stunde. ›
Addie erwiderte nichts. Ihr Schweigen schmerzte mehr als tausend Worte.
Langsam ließ sie sich vom Bett gleiten und tapste in das Badezimmer. Die Fliesen stachen eisige Nadelstiche in unsere Fußsohlen. Der Wasserhahn des Waschbeckens bewegte sich ohne jedes Geräusch – ohne zu quietschen wie die in unserem Bad zu Hause. Das Wasser, dass aus ihm schoss, wurde so rasch heiß, dass Addie sich beinah die Hände verbrühte. Sie musste das heiße Wasser ganz abstellen. Das kalte Wasser fühlte sich ohnehin vertrauter an, als es in unser Gesicht klatschte und unsere Wangen hinunterrann.
Sie zog sich aus und wieder an, ohne das Licht auch nur einmal anzuschalten. In unserer Tasche waren Sachen zum Wechseln, aber unsere Schuluniform lag bereits als zerknitterter Haufen auf dem Boden, daher zog Addie stattdessen die an. Sie putzte unsere Zähne, stopfte unsere Sachen zurück in den Beutel und setzte sich dann auf das Bett, um in der satten, einschläfernden Dunkelheit zu warten.
Vielleicht war es drei Uhr dreißig, vielleicht auch nicht, als ein leises Klopfen ertönte. Addie rührte sich nicht. Sie hatte die Tür angestarrt, seit sie sich aufs Bett gesetzt hatte, also brauchte sie nicht einmal die Augen zu bewegen.
»Addie?«, sagte er, stahl sich in unser Schweigen und zerschmetterte und brannte damit die letzten Bruchstücke unserer Träume nieder. »Ich komme jetzt rein.«
Die Tür öffnete sich mit einem Klicken. Licht fiel vom Flur in das Zimmer, schluckte die Dunkelheit, wo immer die beiden aufeinandertrafen. Mr Conivent stand blinzelnd in der Tür.
»Liegst du noch im Bett?«, sagte er. Seine Stimme war tiefer, strenger, schärfer, als ich sie in Erinnerung hatte. Er griff ins
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