Twist again: Die Spellmans schlagen zurück (Familie Spellman ermittelt) (German Edition)
nicht mehr so blass, aber er wirkte schwach, und seine Stimme klang ebenfalls kraftlos.
Ich lehnte Ruths Angebot ab, mir etwas zu trinken zu bringen. Morty hatte sie seltsamerweise gar nicht gefragt.
»Warum kommst du so spät?«, fragte Morty.
»Du weißt doch, wie das mit den Bussen in dieser Stadt ist«, sagte ich. Natürlich hatte er nicht die leiseste Ahnung.
»Was ist denn mit deinen Augen?«, fragte er weiter.
»Was ist mit deinen?«, konterte ich.
»Ich bin alt. Und was hast du für eine Entschuldigung?«
»Ich kann zur Zeit nicht schlafen.«
»Weil du ein schlechtes Gewissen hast?«, fragte Morty.
»Du weißt nicht mal, wie man Gewissen buchstabiert. Sag schon: Wie geht es dir wirklich?«, sagte ich und setzte mich auf die Bettkante.
Morty gab sich etwas weniger siech: »Ich fühle mich nicht hundertprozentig wohl.«
»Du bist vierundachtzig. Die hundert Prozent erreichst du nie wieder.«
»Das Letzte, was ich jetzt brauche, sind deine negativen Schwingungen.«
»Was hast du eigentlich vor?«, fragte ich hellhörig.
»Bald gesund zu werden.«
»Erzähl mir keinen Scheiß.«
»Nicht so vulgär, junge Dame.«
»Ruth ist dir auf die Schliche gekommen, stimmt’s?«
»Pah.«
»Wie soll es deiner Meinung nach weitergehen?«
»Wenn sie erst mal ein paar Wochen wieder hier ist, wird sie sich diesen ganzen Florida-Blödsinn abschminken.« Er senkte die Stimme zu einem Flüstern herab: »Ich habe uns Konzertkarten besorgt.«
»Na und?«
»Ich habe sie noch nie zu einem Konzert des San Francisco Symphony Orchestra ausgeführt.«
»Wollte sie das gern?«
»Ja. Früher hatte sie ein Abo. Ist immer mit einer Freundin hingegangen.«
»Ein feiner Ehemann bist du.«
»Ich bin ein Traumehemann. Hast du dir mal die Steinchen angesehen, die sie am Finger trägt?«
Da klingelte zum Glück mein Handy. Wer weiß, was ich Morty sonst an den Kopf geschmissen hätte.
»Hallo?«
»Izzele, ich bin’s, Gabe. Ich stehe unten.«
»Unten wo?«
»Unten vor deiner Wohnung?«
»Vor welcher Wohnung?«
»Hast du denn mehrere?«
»Mist!« Erst jetzt fiel mir ein, dass wir ja verabredet waren.
»Hast du unser Date vergessen?«, fragte er.
»Na ja ...«, sagte ich.
»Wo bist du?«
»Bei deinem Großvater. Tut mir ehrlich leid. Ich weiß gar nicht, was heute für ein Tag ist.«
Schweigen. Schwerer auszuhalten als in der Therapie.
»Willst du trotzdem mit mir ausgehen?«
»Klar!« In Windeseile überlegte ich, welchen unverfänglichen Treffpunkt ich ihm vorschlagen könnte. Ich bat ihn schließlich, mich bei Morty abzuholen, und Gabe war einverstanden.
Nach dem Telefonat wollte Morty, der die Lauscher weit aufgesperrt hatte, offensichtlich einen Kommentar abgeben. »Behalt’s besser für dich«, blaffte ich ihn an, bevor er einen einzigen Ton hervorbrachte. Worauf Morty die Lippen zusammenpresste, als wolle er nie wieder ein Wort mit mir wechseln.
»So gefällst du mir schon besser«, sagte ich.
Eine Viertelstunde später tauchte Gabe auf. Während sich sein Enkel mit Ruth unterhielt, wandte sich Morty wiedermir zu und machte »psst«, wie in diesen alten Kriminalfilmen. Ich ignorierte ihn zunächst, aber dann machte er erneut »psst«.
»Was ist denn?«
Ganz, ganz leise wisperte mir Morty zu: »Morgen spielt Ruth bei Ethel Bridge. Von sechs bis neun Uhr abends. Könntest du mir eins von Moishes Pastrami-Roggen-Sandwiches vorbeibringen?«
»Du bist wirklich ein Ekel«, sagte ich und ließ den Patienten allein.
(FAST) WIE IM KINO
Obwohl ich mich wortreich entschuldigt hatte, als ich in Gabes VW Jetta sprang, zeigte er mir die kalte Schulter. Was durchaus verzeihlich war, er konnte ja nicht wissen, wie unglaublich anstrengend die letzten Tage für mich gewesen waren. Umzüge findet jeder stressig, aber leider hatte ich mir geschworen, niemandem von meiner neuen Geheimadresse zu erzählen, also durfte ich auch nicht auf Verständnis hoffen. Und als mein Handy klingelte, drohte der Schlamassel nur größer zu werden. Maggie rief an, weil sie wieder einmal das Gefühl hatte, verfolgt zu werden. Sie gab ihren aktuellen Standort durch – eine Tankstelle an der Kreuzung Van Ness und Pine –, konnte mir jedoch nicht sagen, ob ihr Verfolger überhaupt in der Nähe war. Trotzdem wollte sie so lange bei der Tankstelle ausharren, bis ich dort ankam.
»Fahr mal rechts ran, Gabe. Ich muss das Steuer übernehmen.«
»Was???«
»Ein Notfall. Ich erklär’s dir nach dem Platztausch.«
»Ach ja?«
»Mach
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