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Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Titel: Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loons Gerringer
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zweigeschossiges
Wohnhaus mit Laden, Badehaus und Stall – verschwanden beinahe hinter dem Gewirr
von Wagen, die es umlagerten. Das war wohl die Gruppe, zu der die beiden Alten
gehört hatten. Der Nevvencaer-Reiter, der die Zufahrt zum Tent kontrollierte,
redete eine Weile mit dem Chef, während die Truppe dahinter mit wachsendem
Unbehagen wartete. Von den Kochfeuern auf dem Tentgelände wehten anregende
Düfte herüber, und dunkel wurde es auch. Alle waren erleichtert, als sie
endlich durchgewinkt wurden. Sie schlugen ihr Lager neben dem der bunt
gemischten Gruppe der Reisenden auf und hatten so Gelegenheit, die
Nevvencaer bei der Erledigung ihrer weiteren Pflichten am Traskepad zu erleben.
Die Soldaten passten auf, dass sich niemand in die Dörfer jenseits der Straße
verdrückte, dass die Leute friedlich blieben und niemanden beklauten. Sie
überwachten auch eine Leistung des Tent, die sicher nicht freiwillig erbracht
wurde: Die kostenlose Ausgabe einer Portion heißer Grütze oder Suppe an die
Flüchtlinge. Ausflüge in die Umgebung, zum Jagen, Sammeln oder Betteln, waren
strengstens verboten – auch etwas, das in früheren Jahren anders gewesen war.
Als Krönung ihrer Fürsorge drängten die Soldaten des Präfekten darauf, dass der Stern eine Vorstellung gab, um die Stimmung unter den Leuten zu heben.
Natürlich sollte auch diese Vorstellung gratis sein. Es war offensichtlich,
dass die Präfektur Maikonnen entschlossen war, den Flüchtlingsstrom möglichst
schnell und rückstandslos nach Norden weiterzuleiten.
    Den Hakemi suchte allerdings niemand auf, obwohl das
Schild wieder am Gilwissler hing. Während der Stern seine Vorstellung
gab, machte sich James – der dabei keine Aufgabe mehr hatte – auf den Weg zum
Badehaus. Er war in Gedanken schon ganz bei dem Genuss von heißem Wasser und Seife,
als ihn aus dem Schatten vor dem Häuschen eine zögernde Stimme anrief.
    „Du, Ska!“ Und als er sich umdrehte, machte das
Mädchen einen Schritt auf ihn zu. „Für fünfzig Chaval kannst du mich anfassen!
Für drei Kelvernen kannst du’s mit mir machen! Drei Kelvernen!“
    „Danke, bin nicht interessiert.“
    Da grapschte sie nach seinem Arm, und er sah in ein
verzweifeltes Gesicht – Mann, die war jünger als Nilke.
    „Bitte, Ska! Ich bin sogar noch Jungfrau!“
    „Warum machst du das? ‘ne Elfjährige! Verhungern musst
du nicht. Die teilen doch Essen aus.“
    „Aber kein Geld! Und wir haben nicht mehr genug! So
kommen wir nie auf ein Schiff! Und ich bin dreizehn !“
    „Ihr braucht gar kein Schiff. Ihr solltet einfach nach
Hause zurückkehren. Der Tosu ist doch längst ausgebrochen, die Gefahr ist also
vorbei. Diese ganze Flucht ist doch Blödsinn!“
    „Die Nevvencaer lässt keinen umkehren.“
    Er machte sich endlich los, und dabei fiel ihm die
Wunde auf dem Handrücken des Mädchens auf. Sie war breiig und strömte den käsigen
Gestank aus, dem er schon am Nachmittag begegnet war.
    „Was ist das? Hast du dich verletzt?“
    Sie zuckte zurück, zog die Hand unter den Ärmel. „Als
wenn du das nicht wüsstest!“, zischte sie wütend. Alles bemüht Aufreizende war
weg. „Hungerwurm. Seit es auf ist, juckt es wenigstens nicht mehr so!“
    Er verschob sein Bad und folgte ihr stattdessen in das
Lager der Flüchtlinge. Und das war, auch wenn sich die Leute noch so gern als
Reisende bezeichneten, bei näherem Hinsehen der totale Misthaufen. Die wirklich
Reichen unter den Geflohenen waren längst mit Schiffen den Akbarnen hinauf und
dann mit den Traskern weiter nach Norden gefahren. Hier fanden sich die Armen
und ehemals wohlhabende Bauern und Handwerker, die geglaubt hatten, das Beste
für ihre Familien zu tun, als sie sich mit ihrer Habe auf den Weg nach Norden
machten. Sie wollten sich in Ligissila einschiffen und über den Sund nach
Skilsinen gelangen, um dort ein neues Leben anzufangen. Viele waren mit Kind
und Kegel seit Wochen unterwegs. Aber die völlig unerwarteten Strapazen einer
solchen Reise, ungewohntes und niemals ausreichendes Essen, schmutziges
Trinkwasser, die Enge in den Wagen, die ständige Angst vor Krankheit,
Übergriffen oder auch nur davor, dass ein Zugtier sterben und sie hilflos
zurücklassen könnte, und bei alldem immer, immer weitergehen zu müssen –
plötzlich selbst Treibgut zu sein und auch so behandelt zu werden: Das hatte
Spuren hinterlassen. Sie waren erschöpft, verzweifelt, abgestumpft. Nicht
wenige hielten sich die Gegenwart mit billigem Schnaps vom Hals, den

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