Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)
wieder aufzumachen. „Nur du konntest den Askertormen finden. Hast du
ja auch – und ich hätte dich fast gehabt. Dann kam diese Furie dazwischen.“ Er
hob den Kopf wieder von der Bootswand und würdigte sie sogar eines Blickes.
„Hat jemand eine Zigarette für mich?“
„Sie sind also bloß ein Schatzjäger!“, sagte Dorian
angewidert. „ Sikka , nichts als ein gieriger Drecksack! Und ich hab immer
Angst vor euch Ghistriarden gehabt – dachte, ihr wüsstet wunders was mehr als
wir anderen!“
„Das ist auch so. – Zigarette? Irgendwer?“
Schließlich rückte der Typ am Ruder eine raus. de
Braose nahm sie, konnte sie aber nicht anzünden, weil er seine Hände nicht
richtig zusammenkriegte. „Zünden Sie mir die Zigarette an, Inglewing. Dann sag
ich Ihnen, was der Tyggboren ist.“
„Ist doch jetzt unwichtig“, rief Firn dazwischen.
„Sagen Sie uns lieber, wo so ’n Ghistriarde wie Sie hingeht, damit man ihn
wieder zusammenflickt! Ihr habt doch da bestimmt jemanden, der’s draufhat! Sie
sorgen dafür, dass James dieselbe Hilfe kriegt, klar? Sonst kommen Sie nicht
lebend aus dieser Bucht raus, Mann, das garantier ich Ihnen! Haben Sie das
kapiert?“
Dorian hatte ihm die Zigarette angezündet, und jetzt
rauchte der Typ wirklich! Dem quoll das Hirn sozusagen schon aus dem Kopf, und
er saß da und qualmte seelenruhig und kriegte sogar ein zynisches Lächeln hin.
„Dein Gesicht kommt mir übrigens auch bekannt vor, Peregrin !“
„Äh, Ska, so blöd bin ich nicht, dass ich auf den Trick reinfalle! Wenn wir an Land sind, dann rufen Sie Ihren Hakemi oder Fahlan
oder was immer zu sich! Und wenn –“
„Ist ja gut. Er wird sich um ihn kümmern. Und jetzt
lass mich meine Zigarette rauchen!“ Er inhalierte ein paar tiefe Züge, dann
wandte er sich an Dorian. „Der Tyggboren, Inglewing –“
Sie hätte gar nicht zugehört, wollte abschalten und
auf die Küste sehen, wie sie langsam näherkam, aber Dorian und James starrten
diesen de Braose beide so an, als würde er gleich ihr Todesurteil verlesen. Es
konnte einen irre machen.
„Als Larenni die Menschen schuf, nahm sie fruchtbaren
Lehm vom Flussufer dafür, und als Lebenssaft goss sie Flusswasser in ihre
Geschöpfe ein – sicher hat man Ihnen diese Geschichte doch auch erzählt, da in
Ihrer Dorfschule in Orolo, oder? Die Menschen sollten leben, sich fortpflanzen
und vergehen und dabei immer Teil des ewigen Stromes sein.“
Jetzt war sie wohl endgültig im falschen Film
angekommen! Faselte der da wirklich irgendeinen Mythenquatsch daher, mit
offenem Schädel und der Zigarette zwischen den blutigen Fingern?! Und das Ganze
mit diesem zynischen Gesichtsausdruck, als amüsierte er sich auch noch über die
beiden, die jetzt tatsächlich aussahen wie kleine Jungs in der Dorfschule, die
man gerade über die Tatsachen des Lebens aufklärt. Dagegen war Firns arrogante
Miene zur Abwechslung mal erfrischend.
„Der Tyggboren ist einer, der aus diesem Strom des
Lebens herausgerissen wurde. Es ist ein uralter, schönfärberischer Ausdruck für
einen, der nicht sterben kann. Für eine Seele, die nicht weiterfließen darf mit
dem Strom.“ Die Zigarette war schon aufgeraucht. Er warf die Kippe über Bord.
„Die alten Wolkensammler haben das Wort noch gekannt. Und in Ghist hat man es
auch nicht vergessen.“
„Ja – und?“, fragte Dorian, und sie hätte trotz allem
beinahe gelacht.
Auch de Braose grinste. Sah aus wie Freddy Krueger und
grinste. „Fragen Sie James. Fragen Sie ihn, ob er weiß, warum das Taruandi den
Tyggboren mit der schwarzen Flut in Verbindung bringt. Fragen Sie ihn, was mit
dem Askertormen geschehen ist!“
„Ich frag aber Sie, de Braose!“, sagte Dorian nach
einem Blick auf James.
„Ich glaub, da brennt es! Da auf dem Bult! Seht ihr
das?“, platzte Bagrat in das Geschwafel.
Dankbar für die Unterbrechung, die sie von den
angespannten Gesichtern ablenkte, sah sie hinüber zu dem Bergrücken, der rechts
von ihnen in den letzten schrägen Sonnenstrahlen lag. Nur zerklüftete Felsen
und dieses satte, von Schafen getupfte Grün – das sie für immer mit einem
besonderen Moment in Verbindung bringen würde, das spürte sie, als sie jetzt da
rübersah. Es würde sie immer an den plötzlichen Wunsch zu leben erinnern, an
die überraschende Erkenntnis, wie schön die Welt sein konnte.
„Wo siehst du da Feuer?“, fragte sie, aber da sah sie
den Rauch selbst: ganz feinen, dunklen Rauch, der wie Nebel über den Wiesen
aufstieg. Und
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