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Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Titel: Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loons Gerringer
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‚rote Tür’, was
einfach ‚Vorsicht!’ bedeutet – aber die denken, es soll ein Dämon oder so was
sein, und bleiben weit weg!“
    Die rote Tür ? Die rote Tür war ein Tiffel ?
Dann war der rote Anstrich an der Tür von Salz-und-Seide also wohl nur
ein Zufall gewesen.
    „Die einzigen, die sich von so was nicht stören
lassen, sind die Harfner“, sagte Stanwell. „Die kümmern sich nie um irgendwen
oder irgendwas. Aber zum Glück gibt’s nicht viele von denen. Die Gärten fressen
die uns jedenfalls nicht leer.“
    „Die beiden da vor uns, die Reiter, die haben übrigens
’ne Harfe dabei“, meinte John und zündete sich einen Zigarillo an. „Hab’s
gestern gesehen.“
    „Wo wir gerade vom Leerfressen reden –“, warf Firn
ein, „sollte der Hakemi nicht mal einen Blick in den Kräutergarten da oben
werfen? Sieht ganz so aus, als wär Jakobe schon dabei!“
    Schon im Vorbeifahren hatte sich James gefragt, was in
den Gärten wohl alles zu finden sein mochte, doch dann war es hier in der Sonne
so behaglich gewesen. Weil Firn aber Recht hatte, raffte er sich von der Mauer
auf und stapfte mit dem Kräuterkasten und einem seiner Messer ausgerüstet zu
dem Garten hinauf.
    Zwischen fast überwucherten Mäuerchen waren immer noch
angelegte Beete zu erkennen. Mittendrin kniete Jakobe und arbeitete sich durch
das Grün. Ihre Beute warf sie in einen Korb. Sie hinterließ von Unkraut
befreiten, aufgelockerten Boden, und James begriff, wie sich in so einem
Ferulgarten überhaupt etwas gegen das Unkraut behaupten konnte: Die Peregrini
ernteten nicht nur, sie pflegten die Gärten auch. Vermutlich säten sie das Zeug
sogar immer wieder neu aus. Ein faszinierendes System, von Leuten
aufrechterhalten, die weder dafür bezahlt wurden, noch die Gewissheit haben
konnten, dass sie auch tatsächlich ernten würden. Und die darüber hinaus bereit
waren, mit anderen vorbeiziehenden Fremden zu teilen.
    Er folgte einer Woge intensiven Lavendeldufts zum
Kräutergarten, der hinter einem geflochtenen Weidenzaun nahe am Haus lag. An
einer Seite wuchsen meterhohe Sonnenblumen. Zwischen Lavendel- und
Thymian-Büschen ging er hindurch, an einem orange leuchtenden Areal vorbei, wo
sich Ringelblumen tapfer gegen das Unkraut stemmten, und dann sah er im Schatten
der Sonnenblumen hellblaue Blütentrauben, die vor einer Wolke aus krausen
grünen Blättern im Wind schwangen. Der Hauptgewinn! Das war, in Bin-Addalis
Worten ausgedrückt, die Königin der Heilpflanzen: Nittich! Drei mannshohe
Stauden!
    Und dann musste er sich auf einmal hinsetzen. Er
schlug die Hände vors Gesicht und stöhnte. Da hockte er vor diesem Grünzeug,
erwartete schon beinahe selbst von sich, in Jubel auszubrechen, als wäre er
gerade auf eine Goldader gestoßen, und dabei war es doch nur – Gott, wie weit
wollte er diesen Wahnsinn denn noch treiben?! Wie lange wollte er sich selbst
denn noch etwas vormachen?
    Da waren immer noch Blutflecken auf seinen Hemdärmeln.
Und er konnte den tagealten, scharfen Angstschweiß in seinen Klamotten riechen.
Auf dem Markt hatte er die meiste Zeit in Panik verbracht. Panik davor,
plötzlich mit einem akuten Notfall konfrontiert zu werden, mit einem Menschen,
der sich vor Schmerzen wand, einem Kind, das ihm unter den Händen wegstarb,
einem Schwerverletzten – es gab so vieles, das seine geringen Möglichkeiten
überschritten hätte! Er war kein Arzt! Gar nichts war er, nur ein Student mit
rudimentären Kenntnissen, ohne Instrumente, ohne Medikamente, abgeschnitten von
Bibliotheken, Laboren, erfahrenen Kollegen – einfach von allem, wo er Rat hätte
suchen können! Das konnte nicht mehr lange gutgehen, irgendwann würde er ohne
Zweifel kommen, der Moment, in dem er nicht mehr weiterwusste und einen
schwerwiegenden Fehler machte! Oder gleich kapitulieren musste. Diese Nacht auf
der Hafenwiese, bei der Frau in den Wehen – da war es schon fast so weit
gewesen. Nur unverschämtes Glück hatte ihn – und die Frau – da gerettet.
    Er wollte ja helfen, verdammt, er wollte es wirklich,
er wollte ein guter Arzt werden – aber das hier? Nittichstauden in Nimmerland –
das war doch zum Heulen! Wie sollte er nur aus der Hakemi-Nummer wieder
rauskommen?
    Er zwang sich zu einem langen, tiefen, zitternden
Atemzug. Ja, er stank, er stank nach Angst und Überforderung, und er brauchte
ein langes Bad und frische Sachen. Aber weitermachen musste er. Aus der
Hakemi-Nummer gab es vorerst kein Entkommen.
    Und vor ihm blühte der Nittich –

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