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Typisch Mädchen

Typisch Mädchen

Titel: Typisch Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Grabrucker
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geboren«. Wie sonst auch kuschelt sie sich auf meinem Bauch zusammen, krabbelt dann nach unten und kriecht am Fußende der Matratze unter der Bettdecke hervor. Sie spielt das gleiche dann allein mit ihrem Stoffkatzi. Es darf sich auf ihren Bauch legen, wird nach unten rausgeschubst, und dann sagt Anneli: »Es ist auf die Welt gebohrt.« Ich lege ihr das Katzi auf die Brust und sage, daß es wie die Babys jetzt bei der Mama am Busen trinke. Sie quietscht dabei vor lauter Vergnügen und spielt es immer wieder.
    Ich bin mir sicher, daß mir dieses Spiel bei einem Buben auf keinen Fall eingefallen wäre. Diese Art von Vorbereitung auf ihre geschlechtliche Rolle kann nur dem Mädchen vermittelt werden. In diesem frühen Alter findet ein Zusammenklang von Wesen, Identität und Geschlecht nur beim Mädchen statt. Ihm kann vermittelt werden, daß es später ein Baby bekommt, so wie es selber eines war - nie aber kann diese Geschlechtsidentität einem Buben so früh nahegebracht werden. Es ist, wie Margaret Mead schrieb: »Mädchen gelangen sehr früh über ihre zukünftige Fortpflanzungsfunktion zu einer Identität, die in ihnen selber liegt, die keiner weiteren Bestätigung durch andere Leistungen bedarf.« 32 Bei Mead ist es das Stammesleben, durch das Mädchen zu dieser Haltung gelangen können; bei uns sind es die Erzählungen der Mütter und ihr Spiel.
18. Januar 1984 (2Jahre, 5 Monate)
    Anneli bleibt vor dem Schaufenster eines Antiquariats stehen, in dem alte Eisenbahnen ausgestellt sind. Sie sieht sie sich genau an und erklärt: »Der Papi steht da auch immer und schaut.« Plötzlich ist sie schrecklich begeistert von den Eisenbahnen. Ich bleibe gelangweilt vor dem Laden stehen, eigentlich wollte ich mit ihr eine Hose kaufen gehen. Ich bin schon drauf und dran, sie wegzulocken und sie zum Weitergehen anzutreiben. Mich interessiert die Eisenbahn nämlich nicht. Da fällt mir plötzlich ein, daß ich mich schon mehrere Male über ihr mangelndes Interesse an Eisenbahnen gewundert hatte. Ich gab bereits zu, die These von den an Technik uninteressierten Mädchen bestätigt zu sehen. In dieser Erkenntnis bleibe ich mit ihr stehen, wir erläutern nun gemeinsam - im Gegensatz zu vorher - die Eisenbahnanlagen und alles, was wir sehen. Sie möchte damit spielen. Unter normalen Umständen wäre es spätestens jetzt aus gewesen - ich hätte ihr gesagt, daß wir dazu wegen des Einkaufens keine Zeit hätten, und damit wäre der Fall für mich erledigt gewesen, wenn auch vielleicht mit Geschrei. Aber jetzt, in dieser für mich besonders bewußten Situation, sinne ich auf Abhilfe. Es fällt mir ein Märklin-Laden in der Nähe ein, in dem große Anlagen aufgebaut sind. Ich gehe mit ihr dorthin, und wir versäumen wirklich nichts Wesentliches; das Einkaufen läßt sich um eine Stunde verschieben. Dies mache ich jetzt ganz bewußt, um nicht wieder eine Situation zu versäumen, in der ich ihr waches Interesse für etwas nur deshalb nicht erkenne, weil ich es für mich nicht von Belang finde und deshalb auch nicht für sie ; ich halte mich dann lange bei Märklin mit ihr auf und versuche, mich mit ihr für all die Anlagen, Lokomotiven und blinkenden Lämpchen zu interessieren. Ich bin mir sicher, daß ich mit einem Sohn schon längst im Laden bei Märklin gewesen wäre, wir sind ja schon oft daran vorbeispaziert. Ihm hätte ich schlicht und einfach von vornherein andere Interessen zugesprochen als die meinen und wäre mit wachen Augen für das, was ein männliches Kind interessieren könnte, durch die Gegend gelaufen. Nie. und nimmer hätte ich ihn von Eisenbahnen, für die er sich interessierte, wegzerren wollen. Vielleicht ist mir das bei Anneli jedoch schon oft passiert!
    Sie erzählt einer Freundin nachmittags ausgiebig von ihrem Bettstadl in München. »Der Papa hat da eine Schraube hingemacht, und dann hat er so gemacht und so, und dann war das Gitter, daß ich nicht rausfall.« Sie macht die entsprechenden Körperbewegungen und versucht, Klaus pantomimisch beim Zusammenbauen des Bettes nachzuahmen. Das Ganze ist schon fast zwei Monate her. Natürlich hat der Papa dieses Bett gebaut und gebastelt und mit Werkzeug gearbeitet! Beim Aufbauen selbst ist mir das gar nicht aufgefallen! Aber so bekomme ich von Anneli ihren Eindruck, der den Tatsachen entspricht, lange Zeit nachher präsentiert. Ich ärgere mich sehr, daß ich wieder einmal die Situation nicht zur richtigen Zeit, sondern erst zwei Monate später erfaßte und das Werkzeug

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