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Tyrannenmord

Tyrannenmord

Titel: Tyrannenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roy Jensen
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können wir vielleicht noch vor ihrem Eintreffen am anderen Ende der Brücke sein, denn auf Seeland besteht die Gefahr, sie für immer aus den Augen zu verlieren!« Bevor Schmidt sein Visier endgültig schloss, drehte er sich noch einmal ermunternd zu seinem weiblichen Sozius um: »Isabell, das Ziel ist klar, halt dich fest, es geht los!«
    Schmidt fuhr die Maschine natürlich nicht durchgängig aus, sondern passte sich den örtlichen Gegebenheiten an, was hieß, dass er sie auf übersichtlicher Strecke – dank ihres majestätischen Drehmoments von 113 Newtonmetern – enorm hochschraubte und sie im nächsten Augenblick wieder mit einem Bruchteil ihrer Kraft sanft und wie gezähmt durch Wohngebiete gleiten ließ.
    Je weiter sie sich Nyborg näherten, umso mehr nahm der allgemeine Verkehr zu. Es handelte sich wohl nur um einige hundert Meter bis zu der Stelle, wo die alte Strecke erst unterführt und dann von rechts kommend auf die neue, breit ausgebaute Straße mündete. Die Spannung der beiden Kripoleute wuchs und wuchs mit jedem zurückgelegten Meter. Es rückte die leicht abschüssige Auffahrt in ihr Blickfeld, auf der sich im Moment nur einige Pkws und Lieferwagen befanden. Es erschienen mehrere Zweiradfahrer, unter denen sich aber keine knallrote Husqvarna befand. Selbst als sie die Auffahrt rechts hinter sich lassen mussten und Isabell sich hin und wieder spähend umgewandt hatte, war von der Verfolgten nichts zu sehen. Als wäre sie wie vom Erdboden verschluckt.
    Vorn traten bereits die mächtigen Pylonen der Großer-Belt-Querung in Erscheinung und jetzt gab es kein Zurück mehr. Die ganze Brücke war dicht befahren und der Jahreszeit entsprechend viele Wohnwagen-Gespanne unterwegs, die den Verkehr noch träger dahinfließen ließen.
    Inzwischen hatte neben einem leichten Nieselregen allmählich die Dämmerung eingesetzt, und während sie etwa die Hälfte der Brücke hinter sich gelassen hatten, rauschte gerade ein dunkles, großes Etwas unter ihnen hindurch. Wahrscheinlich ein nur mäßig beleuchteter Kümo, dachte Schmidt.
    Vom Wasser kroch derweil ein weißlicher Nebel hoch, der zusammen mit den angestrahlten Brückenpfeilern und dem geisterhaft entschwindenden, geräuschlosen Kahn eine magisch, maritime Szenerie lieferte, die an einen geheimen Bühnenbildner denken ließ.
    Jedoch viel Zeit hatten die Fahnder nicht, sich diesen Impressionen hinzugeben, denn es tauchten die Lichter der Mautstelle auf und noch immer waren sie nicht fündig geworden.
    Schmidt fuhr den ersten Parkplatz jenseits der Brücke an, der sich in Höhe von Korsör befand. Er sah auf seine Armbanduhr, es war inzwischen einundzwanzig Uhr vorbei.
    »Ich meine, wenn die Thomsen, ob nun mit oder ohne Begleitung, hier nicht binnen einer Stunde auftaucht, lassen wir es gut sein«, stellte Schmidt klar.
    »Okay«, antwortete Isabell, »ich rufe mal rasch zu Hause an.«
    Auf dem Parkplatz war noch reger Betrieb, aber als nach der gesetzten Frist die Gesuchte nicht aufgetaucht war, rüsteten sich die Beamten zur Umkehr. Dazu musste die erste Abfahrt genommen werden. Als sie etwa zehn Kilometer auf der beleuchteten Brücke hinter sich gelassen hatten, bemerkten sie an blinkenden Blaulichtern, dass auf der entgegenkommenden Seite offensichtlich ein Unfall passiert war. Alles was sie beim Vorbeifahren erfassten, war ein Wohnmobil, das seitlich gegen das Brückengeländer gekippt war, den Notarztwagen sowie Polizisten, die den Unfallort sicherten.
    Kurz vor Nyborg fuhr Schmidt an die Seite, hielt und klappte sein Visier hoch. »Ich habe mir Folgendes überlegt, Isabell. Da wir für unsere Rückreise nach Flensburg erneut über zwei Stunden abzureißen hätten, möchte ich dir einen Vorschlag machen.«
    Isabell spitzte gespannt die Ohren, denn Schmidts Stimme hatte einen weichen Klang, bar jeder dienstlichen Tonlage angenommen.
    »Also, ich meine, ich kenne da in Nyborg ein nettes Hotel, da könnten wir uns nach all der Hektik unsere wohlverdiente Ruhe gönnen und morgen ist schließlich auch noch ein Tag – und die haben dort ganz leckere Matjes-Spezialitäten.
    »Ja aber, Paul«, zierte sich Isabell, »ich habe doch weiter gar nichts dabei.«
    »Wenn du zur Nacht mit einem sauberen, gebügelten Baumwollhemd vorlieb nehmen möchtest, das habe ich in meinem Case liegen. Und für alles andere findest du in dem Hotel genügend vor.«
    Warum eigentlich nicht, dachte Isabell, diese kleine Auszeit würde ihr bei dem ständigen Stress sicher guttun.

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