Über Alle Grenzen
ihre Währung, war in einem Jahr von 15.000 auf 500.000 pro Dollar gefallen. Ich lehrte drei Tage lang in Ricardos Haus und einer Kulturhalle, und wir besichtigten seine Galerie. Obwohl Jotas schönes Haus in einer bewachten Siedlung liegt, kann seine hoch begabte Frau nie mit ihm zusammen weggehen. Binnen kurzer Zeit würde eingebrochen werden. Eine bleibende Erinnerung an die Wüste Perus waren einige besonders giftige Mücken. Ihre Stiche verheilten erst, als wir schon tief in Brasilien waren.
Ein Witz Jotas auf der Fahrt war so gut, dass ich ihn erzählen muss: Der Bürgermeister von Lima besucht den Bürgermeister von Washington. Er fragt, wie dieser so reich sein könne. Auf ein großes Gebäude zeigend, antwortet der Bürgermeister von Washington: “Siehst du das Krankenhaus? Ich nehme 10 Prozent.” Den Besuch erwidernd, stellt er fest, dass sein Gastgeber noch reicher ist und will auf einer Stadtrundfahrt wissen, wie es dazu käme. Ihm die Gegend zeigend, fragt der Bürgermeister von Lima: “Siehst Du die Brücke dort drüben?” “Nein”, antwortet sein Kollege. Auf seine Tasche klopfend, sagt der Herr von Lima: “100 Prozent.”
In Kolumbien, vorne rechts Adriana und Eduardo
Argentinien war ein weiterer wirtschaftlicher Unglücksfall. Einige Stunden bevor wir wechselten, fiel der Australes von 6.000 auf 9.000 pro Dollar. Die Gruppe in Córdoba war verwirrt, hatte jedoch etwas Gutes in Aussicht: Lama Trinle aus Portland, ein angenehmer, ehrlicher und fähiger Lehrer, würde vielleicht dorthin kommen und bleiben.
Mehrere Piloten, denen ich Zuflucht gegeben hatte, waren zu dieser Zeit wahrscheinlich über dem Irak im Einsatz, und ich träumte öfter davon, sie zu beschützen. Die Igazu-Wasserfälle an der Grenze zu Brasilien waren einmalig. Nirgendwo in der Welt stürzt mehr Wasser in die Tiefe als dort im Dschungel. Als wir am “Teufelsrachen” standen, 70 Meter über dem tosenden Aufschlag des Wassers, zitierte ich Tilopa für Tomek: “Wenn ich einen guten Schüler hätte …”
Obwohl wir nur ein kurzes Stück von der Straße entfernt einen Abstecher in den Dschungel machten, war der pflanzliche Reichtum der Gegend unbeschreiblich. 80 Prozent der Vielfalt der gesamten Welt, bezogen auf das Erbgut, befinden sich dort, und die Pflanzen bergen sicher Heilmittel gegen einige Krankheiten der Welt.
In Rio fuhren uns Nina und Ramon in die Stadtmitte zu ihrem idyllischen Haus. Sie hatten kein langweiliges Leben, berichteten gerade über die Zerstörung des Amazonas und waren einigen Mordanschlägen saurer Farmer knapp entkommen. Eine der schmerzhaftesten Geschichten, die sie erzählten, handelte von einem Indianerstamm, der gerade von amerikanischen protestantischen Sekten bekehrt wurde. Nun fühlten sie sich zwischen zwei Welten verloren, und jede Woche erhängten sich einige.
Die Behörden waren einfach unmöglich. Der junge und inzwischen wegen Unterschlagung abgesetzte Präsident joggte damals jeden Tag im Fernsehen; ab und zu froren sie die Bankguthaben der Reichen ein. Wenn die Polizei streikte, ging die Mordrate, die im Durchschnitt bei 50 pro Tag lag, auf nahezu Null herunter. Sie stieg auf über 100, wenn die Polizei um Lohnerhöhung feilschte. Brasilien ist zwar reich an Rohstoffen, ist aber ein völliges Rassen- und Kulturgemisch, mit unzählbar vielen Kindern. Ich habe noch weniger Vertrauen als zu Indien, dass sie jemals aufholen.
Danach zeigte uns Ramon einen Hügel voller “favelas”, armseligen Slums. Ich lehrte bei einer Schülerin von Jamgön Kongtrul Rinpoche im Gelugpa-Zentrum des Lama Yeshe.
Nach den letzten Belehrungen im Haus von Nina und Ramon wollte die sehr bürgerlich wirkende Präsidentin der Prostituierten-Gewerkschaft uns die spaßigsten Transvestiten der Stadt zeigen. Die Arbeit kommt aber zuerst, und als ich um drei Uhr morgens den letzten gesegnet hatte, waren die Transvestiten leider schon weg.
Ein weiteres uraltes Flugzeug brachte uns nach Kolumbien. Adriana, Eduardo und andere warteten mit Jeeps auf uns. Wir fuhren direkt zu einem seiner vier Anwesen, die Eduardo noch halbwegs sicher besuchen konnte; die Zeiten sind leider seit 1994 vorbei. Es lag in einer wundervollen Umgebung, tiefer und wärmer als Bogotá. Dreißig Leute nahmen an einem zweitägigen Kurs teil, und wir nutzten jeden Augenblick.
Unsere Freunde gehören zur Spitze der kolumbianischen Gesellschaft, von der sauberen Seite: Ihr Geld stammt nicht aus Kokaingeschäften. Sie warnten uns, nicht
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