Über das Haben
oder «meine ganze HABE ». Diese Werbestrategie hat sich jedoch als Fehlschlag herausgestellt. Es hat sich nämlich schnell die Tendenz abgezeichnet, die juristisch abgesicherten Begriffe «Besitz» und «Eigentum» immer dann vorzuziehen, wenn jemand sich ihrer erfreuen kann. Für den Ausdruck «die HABE » blieben dann eher solche Situationen übrig, wo Werte von Verlust bedroht sind. Dementsprechend haben sich auch die Dichter seit der klassischen Zeit angewöhnt, die « HABE » weniger auf «Gabe» als vielmehr auf «im Grabe» reimen zu lassen. So etwa als Schlagreim bei Schiller im Kontext eines Katastrophen-Szenarios (Feuersbrunst) im «Lied von der Glocke»:
Einen Blick nach dem Grabe seiner Habe
wendet noch der Mann zurück,
greift fröhlich dann zum Wanderstabe.
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Nach diesem Misserfolg mit « HABE » hat sich unsere Werbeagentur jedoch schnell eines anderen besonnen und nunmehr doch einen erfolgreichen Weg eingeschlagen. Es ist ihr nämlich gelungen, dem Sprachgebrauch eine feste Verschwägerung einzupflanzen zwischen HABEN einerseits und der Wortfamilie «gut» (mit «wohl») andererseits. Was also «die habe» nicht bringt, das leistet doch das « HAB UND GUT », ein fest gefügtes Binomen, das als Redensart schon lange belegt ist und eher freundliche Assoziationen auslöst. Ähnlich angenehmsind die Assoziationen, wenn jemand sich ein erkleckliches GUTHABEN erwirtschaftet hat.
Sind nun diese HABENDEN , im Gegensatz zu den NICHT-HABENDEN , die «Reichen»? Das ist ein Wort, von dessen Gebrauch in der Öffentlichkeit die Agentur dringend abrät, vor allem wenn vom eigenen Besitz die Rede ist. Allenfalls ist es hinnehmbar, sich zu den «Gut- oder Besserverdienenden» oder etwas altertümlich zu den «Gutbetuchten» rechnen zu lassen. Auch zu den WOHLHABENDEN hält man nach außen hin besser einen Sicherheitsabstand ein.
Von der Sprache her gesehen, sind alle Ausdrücke dieser Art «Euphemismen», das heißt nach der griechischen Etymologie «Gut- oder Schönredereien». Man kann sich zu diesem Zweck auch verbal ausdrücken: «etwas schönreden» oder «schönfärben». Für diese behagliche Einstellung gibt es dann auch noch ein eigenes Verb, das ebenfalls aus der HABEN -Familie stammt: « GEHABEN Sie sich wohl!».
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Damit endet für mich der kurze Ausflug in die fiktionale Welt. Doch nicht für alle Freunde der deutschen Sprache ist das Spiel hier schon zu Ende. Es gab oder gibt auch in der realen Welt, salopp gesagt, eine große Werbe-Agentur für die deutsche Sprache. Als solche hat sich, allerdings nur nebenbei, das «Goethe-Institut zur Pflege und Verbreitung der deutschen Sprache» verstanden. Es hat im Jahre 2004 einen internationalen Wettbewerb ausgeschrieben mit dem Ziel, «das schönste deutsche Wort» zu ermitteln. Aus den ca. 22.000 Einsendungen mit ca. 4000 verschiedenen Wörtern wurde schließlich von einer Jury «das» schönste Wort gekürt: HABSELIGKEITEN . Eine Auswahl aus 150 weiteren sehr schönen Wörtern der deutschen Sprache, herausgegeben von der seinerzeitigen Goethe-Präsidentin Jutta Limbach, ist dann im Jahre 2005 im Druck erschienen. In dieser Publikation ist auch nachzulesen, mit welchen Argumenten die Einsender ihre jeweiligen Vorschläge begründet haben.[ 2 ]
So hat Doris Kalka, die mit HABSELIGKEITEN den ersten Rangplatz erreicht hat, ihrem Vorschlag eine längere Begründung beigegeben, aus der hier zwei Sätze herausgegriffen werden sollen. Sie schreibt:«Lexikalisch gesehen verbindet das Wort zwei Bereiche unseres Lebens, die entgegengesetzter nicht sein könnten: das höchst weltliche HABEN , d.h. den irdischen Besitz, und das höchste und im irdischen Leben unerreichbare Ziel des menschlichen Glücksstrebens: die Seligkeit.» Auch von der Tatsache, dass HABSELIGKEITEN in der deutschen Gegenwartssprache fast nur im Plural und mit diminutiver Nuance vorkommen, hat sich die Einsenderin zu ihrem Vorschlag motivieren lassen. Sie schreibt weiter: «So fassen wir hier die Liebe zu Dingen, allerdings zu den kleinen, den wertlosen Dingen auf als Voraussetzung zum Glück.» Diese Worte lesen sich fast wie ein privater Kommentar zur US-amerikanischen Verfassungsgarantie des «Strebens nach Glück»
(Pursuit of Happiness)
.
Ohne Wert und Gewicht dieser sehr persönlichen Werbung für die HABSELIGKEITEN des alltäglichen Glückshaushaltes in Frage stellen zu wollen, haben nun schon verschiedene Sprachkenner in Leserbriefen darauf aufmerksam gemacht, dass die
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