Über das Sterben
psychologische Schmerzbewältigungsverfahren.
In besonders schweren Fällen können invasive Schmerztherapieverfahren notwendig sein, die in spezialisierten Zentren durchgeführt werden, wie die Implantation von speziellen Pumpen, welche das Schmerzmittel direkt in die Rückenmarksflüssigkeit (Liquor) abgeben, oder auch operative Verfahren, bei welchen bestimmte Schaltstrukturen des peripheren Nervensystems «ruhiggestellt» werden, um die Schmerzweiterleitung zu hemmen (sogenannte Ganglionblockaden).
Durch die Kombination aller vorhandenen Möglichkeiten lässt sich heute bei fast allen Patienten eine zufriedenstellende Schmerzlinderung erreichen. Dass dabei die Schmerzen gänzlich verschwinden, ist nicht zu erwarten, wohl aber, dass sie so gemildert werden, dass die Patienten sie als erträglich empfinden und sich davon in ihrer Lebensqualität nicht mehr wesentlich beeinträchtigt fühlen.
Atemnot
Die Atemnot ist das vielleicht am meisten unterschätzte Symptom in der Medizin. Wenn von quälenden Symptomen am Lebensende die Rede ist, wird automatisch an Schmerzen gedacht. Dabei sagen alle Patienten, die unter Schmerzen und Atemnot gleichzeitig leiden, dass die Atemnot das viel schlimmere Symptom ist. Warum ist das so?
Für das Verständnis der subjektiven Bedeutung der Atemnot ist es hilfreich, die physiologische Besonderheit der Atmung anzuschauen. Das Atmen ist der einzige lebenswichtige Vorgang unseres Körpers, der sowohl willkürlich gesteuert als auch unwillkürlich programmiert ablaufen kann. Es steht somit an der Schnittstelle zwischen unbewusst und bewusst ablaufenden Körperfunktionen. Zudem wird dem Atem seit Urzeiten eine Verbindung zu metaphysischen Aspekten unserer Existenz wie dem Begriff des Geistes zugesprochen (das lateinische Wort «spiritus» bedeutet sowohl «Geist» als auch «Atem»). Es ist vor diesem Hintergrund vielleicht nicht verwunderlich, dass die Atemnot das Symptom ist, das die schwersten existentiellen Ängste auslöst.
Diese Ängste werden durch einen Mechanismus verstärkt, den man in der Palliativmedizin als den «Teufelskreis der Atemnot» bezeichnet. Das Grundprinzip ist einfach: Atemnot erzeugt Angst, diese verstärkt die Atemnot, wodurch sich die Angst vergrößert – und so weiter. Dieser Teufelskreis kann manchmal binnen kurzer Zeit veritable Panikattacken auslösen, die für die Patienten, aber auch für das gesamte Umfeld äußerst belastend sind. Die gute Nachricht: Atemnot kann wirksam behandelt, der Teufelskreis effektiv durchbrochen werden – wenn schnell und zielgerichtet therapiert wird.Dabei sollte der Teufelskreis von beiden Seiten in Angriff genommen werden, sprich, es müssen sowohl die Atemnot als auch die Angst behandelt werden.
Wie in der gesamten Palliativmedizin spielen auch bei der Atemnot die nichtpharmakologischen Behandlungsmöglichkeiten eine wichtige Rolle. Dazu gehört die ruhige Anwesenheit von Angehörigen und professionellen Betreuern, die dem Kranken hilft, bei seinem Atemrhythmus zu bleiben. Eine gute Lagerung, auch im Sitzen, und die Kühlung des Gesichtes durch frische Luft können helfen. Die Atemtherapie – eine besondere Therapieform, die auf die Wiederherstellung des individuellen natürlichen Atemrhythmus abzielt –, wird von vielen Patienten als sehr hilfreich empfunden.
Das wirksamste Medikament gegen Atemnot ist das Morphin. Der Mythos der Gefährlichkeit von Morphin bei Atemnot hält sich, wie einige Mythen in der Medizin, hartnäckig, obwohl er längst widerlegt ist. Dementsprechend wird auch heute noch der Einsatz von Morphin bei Patienten mit Atemproblemen aufgrund der atemdämpfenden Wirkung von Morphin in den meisten medizinischen Lehrbüchern fälschlicherweise abgelehnt.
Das Symptom Angst wiederum lässt sich mit angstlösenden Medikamenten, vor allem aus der Substanzgruppe der Benzodiazepine (z.B. Lorazepam), hervorragend behandeln. Leider stehen Benzodiazepine ebenfalls auf der «schwarzen Liste» für Patienten mit Atemproblemen, obwohl auch deren Sicherheit in der Behandlung der Atemnot längst nachgewiesen ist. Das heißt im Klartext, dass viele Patienten an Atemnot leiden müssen, weil die wirksamen und sicheren Medikamente, die es dafür gibt, von Ärzten aus falschen Befürchtungen heraus nicht eingesetzt werden. Welch fürchterlicheFolgen dies haben kann, wird in Kapitel 7 beschrieben.
Neuropsychiatrische Symptome
Die Symptome aus dem neuropsychiatrischen Bereich machen mindestens ein Drittel der
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