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Ueber Den Deister

Ueber Den Deister

Titel: Ueber Den Deister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Teltscher
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auf ihre tatsächliche Größe. Das Mädchen aus Bronze saß einsam auf ihrem Stein im Öresund und ließ sich von der Morgensonne bestrahlen. Am Ufer stand ein Bus mit Touristen aus dem Fernen Osten: Japaner, Chinesen oder Koreaner. Marder fand es unmöglich, sich auf ihre Nationalität festzulegen. Sie redeten in ihrer unverständlichen Sprache auf die zarte Figur ein. Diese verstand davon offensichtlich so wenig wie er und reagierte nicht. Marder zwinkerte der kleinen Meerjungfrau zu und versprach ihr, später mit seiner Frau wiederzukommen, um sich ausführlich mit ihr zu unterhalten – jetzt müsse er aufbrechen, um sich um Vera Matuschek zu kümmern.
    Er überquerte die Öresundbrücke, die Dänemark und Schweden verband und noch ganz neu aussah. Sie beeindruckte Marder mit ihrer majestätischen Einfachheit und schnörkellosen Eleganz. Am Anfang der Brücke lag Kopenhagen, am Ende Malmö oder umgekehrt, je nachdem von welcher Seite man auf sie hinauffuhr. Unter der Brücke floss das Wasser aus der Nordsee in die Ostsee.
    Hinter Malmö lag das Land, in dem Kommissar Wallander seine Erfolge feierte. Wallander war einer der literarischen Kommissare, dessen Fälle Marder lesenswert fand. Marder war lediglich der Ansicht, dass der Autor Henning Mankell die Dramatik im Privatleben des Kommissars und gelegentlich die soziale Bedeutung der Verbrechen übertrieb, aber das musste wohl in Romanen so sein. Dichtung war oft dramatischer als das Leben, und Marder sah in Mankell eher einen Dichter als nur einen Schreiber von realistischen Geschichten über Schandtaten und die Menschen, die sie verübten. Wie würde Wallander bei der Suche nach Vera und Volkert vorgehen? Welchen Hintergrund würde Mankell dem Geschehen um Volkert und Vera geben? In seiner Geschichte würde sich möglicherweise herausstellen, dass Volkert in den Menschen-und Drogenhandel zwischen dem Weserbergland und Skandinavien verwickelt war. Vera wäre vermutlich die Agentin eines Geheimdienstes, die Volkert an ihre Auftraggeber ausliefern soll und von ihm in den Wäldern Südschwedens auf grausame Art beseitigt wird, bevor sie ihren Auftrag erledigen kann. Auf jeden Fall würde Wallander den Fall zu einem erfolgreichen Ende bringen. Marder war sich nicht sicher, dass ihm dasselbe bei der Suche nach Vera Matuschek gelingen würde.
    Das wahre Skandinavien fing erst hier in Schweden an: Wälder, die sich endlos streckten; Felsen, unter denen schelmische Trolle hockten; Bäche, in denen Lachse über Steine sprangen; Seen, die ihre eigenen Geheimnisse hatten; Ortschaften, die die Probleme der Welt ignorierten; Straßen, die die Einsamkeit in links und rechts unterteilten. Es duftete nach Holz, Moos, Pilzen und wilden Tieren. Dabei war dies nur der Süden Schwedens, wie viel einsamer, wilder und unberührter musste es im Norden sein? Marders Ziel war Malilla, eine ländliche Kleinstadt in der Provinz Samland, ungefähr dreihundert Kilometer von Malmö entfernt. Das Ferienhaus sollte dort direkt an einem See liegen.
    Malilla war als Ort kaum der Rede wert. Zwei Straßen, die sich kreuzten. Einige Häuser, eine Tankstelle, eine Drogerie, ein schmuckloses Café und ein paar weitere Geschäfte für das Wichtigste des täglichen Lebens. Marder hielt an der Tankstelle. Er kaufte eine Landkarte und zeigte dem Tankwart den Zettel mit der Adresse, die er suchte. Der Mann war im besten Greisenalter, trug Turnschuhe, die noch aus seiner Jugend zu stammen schienen. Die dominierende Farbe auf der Landkarte war Grün, das bedeutete Wald, viel Wald. Die kleinen und großen blauen Flecken waren Seen von unterschiedlicher Größe. Der Tankwart sprach kein Deutsch, Marder kein Schwedisch, man einigte sich auf eine gebrochene Version von Englisch. Am Ende ihrer Konversation hatte Marder eine vage Vorstellung, wo er das Ferienhaus suchen musste .

Kapitel 1 3
    Nach einer Irrfahrt durch die Wälder fand Marder den See, an dem das Haus liegen sollte. Auf einem verblichenen Schild an einer Straße, die am Wasser entlangführte, war bei genauem Hinschauen der Name zu erkennen, der auf seinem Zettel stand. An einem Briefkasten am Wegrand war in weißen Ziffern die Nummer geschrieben, die er suchte. Er war bei Volkerts und Veras Ferienhaus angekommen.
    Das Haus stand ungefähr zwanzig Meter von der Straße entfernt hinter Krüppelkiefern auf einer kleinen Landzunge. Was immer darin vorging, war von der Straße nicht einzusehen. Es war ein typisch skandinavisches Holzhaus, mit roten

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