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Über den Fluß und in die Wälder

Über den Fluß und in die Wälder

Titel: Über den Fluß und in die Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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darunter.»
    «Glauben Sie, daß die das an der Grappa und den Pasubio und die Basso Piave so geschafft hätten wie wir?»
    «Die Guten ja. Die vielleicht sogar besser. Aber wissen Sie, daß man sie bei uns in der Armee nicht einmal für Selbstverstümmelung erschießt?»
    «Mein Gott!» sagte der Gran Maestro. Er und der Colonel dachten an die Leute, die den Entschluß gefaßt hatten, nicht zu sterben, ohne zu überlegen, daß der, der am Donnerstag stirbt, nicht am Freitag zu sterben braucht, und wie ein Soldat das in einer Wickelgamasche steckende Bein eines andern in einen Sandsack wickelte, damit es keine Pulververbrennung geben würde, und von einer Entfernung auf seinen Freund schoß, von der er annahm, daß er die Wade treffen würde, ohne den Knochen zu verletzen, und dann zweimal über die Brüstung feuerte, um dem Schuß ein Alibi zu geben. Sie teilten dies Wissen, und aus diesem Grund und aus einem ehrlichen, anständigen Haßgefühl auf all die, die durch den Krieg profitierten, hatten sie den Orden gegründet.
    Die beiden, die einander liebten und achteten, wußten, daß die armen Jungens, die nicht sterben wollten, sich untereinander den Inhalt einer Streichholzschachtel teilten, um die Infektion hervorzurufen, die sie von dem nächsten mörderischen Frontangriff fernhalten würde.
    Sie wußten über die anderen Jungens Bescheid, die sich die großen Zehn-Centesimi-Stücke in die Achselhöhlen steckten, um die Gelbsucht zu kriegen. Und sie wußten auch über die reicheren Jungens Bescheid, die sich in den verschiedensten Städten Paraffinspritzen in die Kniescheibe machen ließen, um nicht in den Krieg zu müssen.
    Sie wußten, wie man Knoblauch benutzte, um gewisse Wirkungen zu erzielen, die einen Mann von einem Angriff fernhalten konnten, und sie kannten alle oder beinah alle anderen Tricks, denn der eine war der Feldwebel und der andere ein Leutnant bei der Infanterie gewesen, und sie hatten an den drei Schlüsselstellungen gekämpft, am Pasubio, an der Grappa und an der Piave, wo all dies Sinn und Verstand hatte.
    Sie hatten auch vorher bei der idiotischen Schlachterei am Isonzo und auf dem Karst mitgemacht. Aber sie schämten sich beide für die, die das befohlen hatten, und sie dachten hieran nur als an eine schandbare Dummheit, die man vergessen sollte, und der Colonel erinnerte sich daran vom technischen Standpunkt her, als an etwas, woraus man lernen sollte. Und dann hatten sie den edlen, streitbaren und religiösen Orden von Brusadelli gegründet, der nur fünf Mitglieder hatte. «Was gibt es für Ordensneuigkeiten?» fragte der Colonel den Gran Maestro.
    «Wir haben dem Koch vom Magnificent den Rang eines Commendatore verliehen. Er hat sich an seinem 50. Geburtstag dreimal als Mann betätigt. Ich ließ seine Aussage ohne weitere Bestätigung gelten. Er hat niemals je gelogen.»
    «Nein. Er hat niemals gelogen. Aber es ist ein Thema, bei dem Sie mit Ihrer Gutgläubigkeit etwas kargen müssen.»
    «Ich habe ihm geglaubt. Er sah völlig kaputt aus.»
    «Ich kann mich an ihn erinnern, als er ein strammer Junge war und wir ihn den Jungfernknacker nannten.»
    «Anch’io.»
    «Haben Sie für den Winter irgendwelche konkreten Pläne für den Orden?»
    «Nein, mein oberster Feldherr.»
    «Finden Sie, daß wir Seiner Exzellenz Pacciardi eine Huldigung zuteil werden lassen sollten?»
    «Wie Sie wünschen.»
    «Wir wollen es vertagen», sagte der Colonel. Er dachte einen Augenblick nach und signalisierte nach noch einem Martini.
    «Meinen Sie, daß wir eine Huldigung und Kundgebung an irgend einem historischen Platz wie San Marco oder der alten Kirche in Torcello für unseren großen Schutzherrn Brusadelli, den Verehrungswürdigen, veranstalten sollten?»
    «Ich bezweifle, daß es die kirchlichen Autoritäten in diesem Augenblick zulassen würden.»
    «Dann wollen wir alle Pläne für irgendwelche öffentlichen Kundgebungen für diesen Winter fallenlassen und in unseren Kadern für das Wohl des Ordens arbeiten.»
    «Ich halte das für das Richtigste», sagte der Gran Maestro. «Wir wollen uns umgruppieren.»
    «Und wie geht es Ihnen persönlich?»
    «Grauenhaft», sagte der Gran Maestro. «Ich habe einen zu niedrigen Blutdruck, Geschwüre und Schulden.»
    «Sind Sie glücklich?»
    «Immer», sagte der Gran Maestro. «Ich liebe meine Arbeit, und ich treffe ungewöhnliche und interessante Menschen, außerdem eine Menge Belgier. Die haben wir in diesem Jahr an Stelle der Heuschreckenplage. Früher hatten

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