Über den Fluß und in die Wälder
Tür weit aufgestoßen hatte, so daß der Colonel, der jetzt eingetreten war, im Zimmer mit dem hohen, dunklen, mit großen Spiegeln versehenen Schrank stand, den zwei guten Betten, dem großen Kronleuchter und der Aussicht durch die noch geschlossenen Fenster auf das windgepeitschte Wasser des Canal Grande.
Der Kanal war jetzt in dem schnell schwindenden Winterlicht so grau wie Stahl, und der Colonel sagte: «Arnaldo, machen Sie die Fenster auf.»
«Es ist starker Wind, my Colonel, und das Zimmer ist schlecht geheizt wegen Mangels an elektrischem Strom.»
«Wegen Mangels an Regen», sagte der Colonel. «Machen Sie die Fenster auf. Alle.»
«Wie Sie wünschen, my Colonel.» Der Kellner öffnete die Fenster, und der Nordwind kam ins Zimmer.
«Bitte, verbinden Sie mit der Zentrale; sie möchten diese Nummer hier anrufen.» Der Kellner telefonierte, während der Colonel im Badezimmer war.
«Die Contessa ist nicht zu Hause, my Colonel», sagte er. «Man meinte, Sie würden sie bei Harry finden.»
«Man findet alles auf der Welt bei Harry.»
«Jawohl, my Colonel. Ausgenommen vielleicht das Glück.»
«Ich werde auch das Glück dort finden, verflucht noch mal», versicherte ihm der Colonel. «Das Glück ist, wie Sie ja wissen, ein bewegliches Fest.»
«Das weiß ich sehr wohl», sagte der Kellner. «Ich habe Campari Magenbitter und eine Flasche Gordon Gin gebracht. Darf ich Ihnen einen Campari mit Gin und Sodawasser mischen?»
«Sie sind ein guter Kerl», sagte der Colonel. «Wo haben Sie das her, aus der Bar?»
«Nein, ich hab’s gekauft, während Sie fort waren, damit Sie Ihr Geld nicht an der Theke auszugeben brauchen. Die Bar ist sehr teuer.»
«Stimmt», pflichtete der Colonel bei. «Aber Sie sollten nicht Ihr eigenes Geld in solch ein Unternehmen stecken.»
«Ich hab’s riskiert. Wir haben beide ja schon allerhand riskiert. Der Gin kostete 3200 Lire zum regulären Preis, und der Campari kostete 800 Lire.»
«Sie sind ein großartiger Kerl», sagte der Colonel zu ihm. «Wie waren die Enten?»
«Meine Frau spricht noch immer von ihnen. Wir hatten noch nie Wildenten, weil sie soviel kosten und gar nicht für uns in Betracht kommen. Aber einer unserer Nachbarn hat ihr gesagt, wie man sie zubereitet, und diese selben Nachbarn haben sie auch mit uns gegessen. Ich hab nie gewußt, daß etwas so wunderbar schmecken kann. Wenn die Zähne in das kleine Stück Fleisch beißen, ist es ein fast unbeschreiblicher Genuß.»
«Das finde ich auch. Es gibt nichts Wunderbareres zum Essen als diese fetten Enten von hinter dem Eisernen Vorhang. Sie wissen doch, daß ihr Flugweg durch die großen Getreidefelder an der Donau geht. Dies ist eine abgesplitterte Kette, die wir hier haben, aber sie nehmen immer noch denselben Weg von der Zeit her, wo es keine Jagdgewehre gab.»
«Ich weiß nichts von Schießen als Sport», sagte der Kellner. «Wir waren zu arm.»
«Aber im Veneto gehen doch eine Menge Leute, die kein Geld haben, auf die Jagd.»
«Ja. Natürlich. Man hört sie oft die ganze Nacht schießen. Aber wir waren zu arm dafür. Wir waren ärmer, als Sie sich’s vorstellen können, Colonel.»
«Ich glaube, ich kann es mir vorstellen.»
«Vielleicht», sagte der Kellner. «Meine Frau hat auch all die Federn aufgehoben und mich gebeten, Ihnen zu danken.»
«Wenn wir übermorgen das geringste Glück haben, kriegen wir ‘ne Menge. Große Enten mit grünen Köpfen. Sagen Sie Ihrer Frau, mit ein bißchen Glück kriegt sie ein paar gute Bratenten, so dick wie Schweine von all dem, was sie bei den Russen gefressen haben, und mit wunderschönen Federn.»
«Was halten Sie von den Russen, falls es nicht indiskret ist, dies zu fragen, Colonel?»
«Sie sind unser potentieller Feind, also bin ich als Soldat jederzeit bereit, gegen sie zu kämpfen. Aber ich mag sie sehr gern, und ich hab niemals nettere Leute kennengelernt oder Leute, die uns ähnlicher sind als sie.»
«Ich hab nie das Glück gehabt, welche zu kennen.»
«Werden Sie noch, mein Lieber. Werden Sie noch. Falls Seine Exzellenz Pacciardi sie nicht an der Piave aufhält, dem Fluß, der kein Wasser mehr enthält. Es ist für Wasserkraftwerke abgezogen worden. Vielleicht wird Seine Exzellenz dort kämpfen. Aber ich glaube nicht, daß er lange kämpfen wird.»
«Ich kenne Seine Exzellenz Pacciardi nicht.»
«Ich kenne ihn», sagte der Colonel. «Und jetzt bitten Sie unten, bei Harry anzurufen und zu fragen, ob die Contessa dort ist. Wenn nicht, soll man noch
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