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Über den Fluß und in die Wälder

Über den Fluß und in die Wälder

Titel: Über den Fluß und in die Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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kannst.»
    «Sie sind im Safe», sagte der Colonel. «Auf deinen Namen», fügte er hinzu.
    «Wir wollen einfach schlafen und nicht von irgend welchen materiellen Dingen reden, noch von irgend welchem Kummer.»
    «Zum Teufel mit dem Kummer», sagte der Colonel mit geschlossenen Augen. Sein Kopf ruhte leicht auf dem schwarzen Sweater, der sein Vaterland war. Man muß ja irgendein Vaterland haben, verflucht noch mal. Meins ist hier.
    «Warum bist du nicht Präsident?» fragte das Mädchen. «Du könntest ein ausgezeichneter Präsident sein.»
    «Ich Präsident? Als ich sechzehn war, habe ich bei der National Guard von Montana gedient. Aber ich habe nie in meinem Leben eine Fliege getragen, und ich bin kein erfolgloser Herrenmodenkonfektionär und bin auch nie einer gewesen. Ich habe keinerlei Eignung für die Präsidentschaft. Ich könnte nicht einmal die Opposition führen, obschon ich nicht auf Telefonbüchern sitzen müßte, um fotografiert zu werden. Ich bin auch kein ‹Nie-wieder-Krieg-General›. Zum Teufel, ich war noch nicht einmal bei SHAEF. Es langt noch nicht einmal zum elder statesman. Dazu bin ich nicht alt genug. Jetzt werden wir auf irgendeine Art von der Hefe regiert. Wir werden regiert von etwas, was man in dem schalen Bodensatz von Biergläsern findet, wo die Huren ihre Zigaretten reingestippt haben. Das Lokal ist noch nicht mal ausgefegt worden, und sie haben einen Amateurpianisten, der auf den Kasten haut.»
    «Das versteh ich nicht, weil mein Amerikanisch so mangelhaft ist.
    Aber es klingt furchtbar. Bitte, ärgere dich nicht darüber. Kann ich mich nicht für dich ärgern?»
    «Weißt du, was ein erfolgloser Herrenmodenkonfektionär ist?»
    «Nein.»
    «Es ist nichts Ehrenrühriges. Es gibt viele von der Sorte in unserem Land. Es gibt mindestens einen in jeder Stadt. Nein, Tochter. Ich bin nur ein Soldat bei der Kampftruppe, und das ist wohl das letzte auf der Welt. Damit kommst du eventuell nach Arlington, wenn sie deine Leiche zurückschicken. Die Familie hat die Wahl.»
    «Ist Arlington hübsch?»
    «Ich weiß es nicht», sagte der Colonel. «Ich war niemals dort beerdigt.»
    «Wo möchtest du gern beerdigt werden?»
    «Oben in den Hügeln», sagte er mit schnellem Entschluß. «Auf irgendeinem Teil der Hochebene, wo wir sie besiegt haben.»
    «Wahrscheinlich solltest du an der Grappa beerdigt werden.»
    «Im toten Winkel von irgendeinem granatpockigen Abhang, auf dem man im Sommer das Vieh über mir weiden wird.»
    «Gibt es denn dort Vieh?»
    «Gewiß. Es gibt überall Vieh, wo’s im Sommer gutes Gras gibt, und die Mädchen von den höchstgelegenen Häusern, die stabil gebaut sind – die Häuser und die Mädchen –, die im Winter dem Schnee standhalten, stellen im Herbst Fuchsfallen, nachdem sie das Vieh hinuntergebracht haben, das sich von dem aufgestapelten Heu ernährt.»
    «Und du willst nicht lieber nach Arlington oder auf den Pére Lachaise oder unsern hier?»
    «Auf euern jämmerlichen Knochenhof!»
    «Ich weiß, es ist das Unwürdigste an dem ganzen Ort. Nein, der Stadt. Ich hab von dir gelernt, für Stadt Ort zu sagen. Aber ich werde dafür sorgen, daß du dahin kommst, wo du hin willst, und ich werde mit dir gehen, wenn du willst.»
    «Das würde ich nicht wollen. Das ist eine der Sachen, die man allein tut. Wie ins Badezimmer gehen.»
    «Bitte, sei nicht so derb.»
    «Ich meinte, daß ich dich natürlich sehr gern dabei haben würde. Aber es ist sehr egozentrisch; es ist ein häßlicher Vorgang.»
    Er hielt an und dachte wahrheitsgetreu, aber ohne es zu äußern, und dann sagte er. «Nein. Du wirst dich verheiraten und fünf Söhne haben und sie alle Richard nennen.»
    «Löwenherz», sagte das Mädchen und akzeptierte die Situation, ohne mit der Wimper zu zucken, und spielte, was sie in der Hand hielt, und legte die Karten alle hin, nachdem sie genau gezählt hatte.
    «Lauseherz», sagte der Colonel. «Der ungerechte, verbitterte Kritiker, der von allen schlecht spricht.»
    «Bitte, sag nichts Häßliches», sagte das Mädchen. «Und vergiß nicht: am schlimmsten sprichst du über dich selbst. Aber halt mich so eng an dich, wie es geht, und laß uns an nichts denken.»
    Er hielt sie so eng an sich, wie er konnte, und er versuchte, an nichts zu denken.

30
    Der Colonel und das Mädchen lagen ruhig auf dem Bett, und der Colonel versuchte an nichts zu denken, so, wie er so viele Male, an so vielen Orten an nichts gedacht hatte. Aber jetzt nutzte es ihm nichts. Es wollte ihm nicht

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