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Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Titel: Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Seidel
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rein, Lu. Nicht, dass du nachher wieder in einem Riesenschlamassel sitzt.«
    »Was soll denn hier heißen, ›wieder‹? Ich kann schon seit einer ganzen Weile gut auf mich alleine aufpassen.« Empört versuche ich, ihn mit finsteren Blicken in seine Schranken zu verweisen.
    Mein Vater blickt nun ganz ernst drein. Eine Weile wendet er seinen Blick nicht von den Flammen im Kamin ab. Dann dreht er sich zu mir um und kann nicht verhindern, dass ihm ein heiteres Glucksen entfährt: »Ich dachte, so wie damals, als du dir ganz sicher warst, dass unser Nachbar sich für eine Art Großinquisitor hält und regelmäßig Hexen verbrennt. Zur Strafe hast du seinem Kater mit silbernem Autolack ein Pentagramm auf den Rücken gesprüht – um ihn zu erschrecken. Er lief wochenlang leichenblass durch die Gegend.«

    Stimmt, das habe ich getan. Ich werde knallrot. Als Kind war ich – nennen wir es mal »fantasiebegabt«. Ich hatte mich so in meine Bücher vergraben, dass ich gar nicht mehr zwischen Wirklichkeit und Dichtung unterscheiden konnte. Ich hatte ein wirklich erhellendes Buch zur Hexenverfolgung gelesen, in dem ein lüsterner bigotter Pfarrer reihenweise junge, hübsche Frauen auf den Scheiterhaufen brachte. Der Typ hat mich furchtbar an unseren biederen Nachbarn, ebenfalls alleinstehender Pfarrer, erinnert. Der sah auch immer ganz genau hin, was die anderen machten, und verdarb einem mit seinen Vorträgen die Freude an einfach allem. Das hatte ich ganz vergessen. Irgendwie hatte ich im Verlauf meines Studiums, in dem ich fortweg Bücher rational analysiert habe, aufgehört, sie auch noch zu lieben. Und den Fantasiewelten den Rücken zugekehrt. Nur manchmal kommen leise Erinnerungen hoch, und dann bin ich etwas wehmütig und weiß nicht wieso. Zum Beispiel im Winter, wenn es dunkel ist und schneit. Vielleicht war es auch eine letzte Geste des liebevollen Respekts gegenüber meinen Fantasiewelten, dass ich mich für die Lokalredaktion entschieden habe und nicht in der Kulturredaktion mit scharfem Blick Bücher seziere, wie es sich Toni zur Aufgabe gemacht hat. Aber ich denke nicht viel darüber nach. Ist auch besser so. Ich bin eben vernünftig geworden und es seither geblieben – außer in dem klitzekleinen Moment, in dem ich mich in Martin verliebt habe. Die nächste Beziehung würde ich anders anfangen. Hat nicht eine Studie bewiesen, dass Vernunftehen nach fünf Jahren sogar glücklicher als die ebenfalls untersuchten Liebesheiraten sind? Eben! Die sind mit mehr Erwartungen überfrachtet, als irgendjemand erfüllen kann. Und ich weiß, dass es Blödsinn
ist, zu glauben, das Leben erhalte einen tieferen Sinn, nur weil man über einen anderen einsamen Trottel gestolpert ist, der auch nicht weiß, wo er hingehört. Das verspricht Abwechslung für höchstens ein Jahr. Länger spielen die Verliebtheitshormone nicht mit. Da lebe ich lieber allein, als mich unsinnigen Illusionen hinzugeben.
    »Ein Heuchler war er trotzdem«, knurre ich und meine den Nachbarn. »So haben wir immerhin rausgefunden, dass er in den großen Plastiksäcken Müll verbrennt. Eine ökologische Katastrophe. Fast so ... wie, ähem, tatsächlich Hexen zu verbrennen«, ende ich lahm und selbst nicht sonderlich überzeugt.
    Mein Vater kichert schon wieder.
    »Ich konnte ihn ehrlich gesagt auch nicht ausstehen«, gab er zu. »Aber deine Mutter hat immer so große Stücke auf ihn gehalten.«
    Pah, die Oberheuchlerin. Tut die ganze Zeit so bieder wie nur irgendetwas und brennt dann mit einem jungen Hengst durch. Da fragt man sich doch, ob die Menschen sich nicht ohnehin nur so lange moralisch verhalten, wie weit und breit keine Versuchung in Sicht ist. Und die moralischsten sind doch meist die, die der Versuchung als Erstes erliegen, wenn sie doch nur mal jemand fragen würde. Mein großzügiger, wunderbarer Vater ist da ganz anders. Er lässt die Menschen gleich so wie sie sind und kasteit weder sich selbst noch andere. Deswegen kann er sicher auch einer Versuchung widerstehen. Zum Beispiel Teresas Reizen. Ganz sicher! Und notfalls hat er ja noch mich, um auf ihn aufzupassen.

    Am nächsten Tag ist der Schnee geschmolzen. Die Luft ist ganz mild und die Landschaft so grün wie eine irische Landschaft zu sein hat. Ich bin nervös, als ich mich mittags auf den Weg ins Dorf mache, um Nellie auszuhorchen. Vor ihrem Laden wird mir noch eine kleine Verschnaufpause gegönnt. Es ist nämlich überhaupt keiner da. Die Tür ist verschlossen und auf dem

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