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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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schärfer und schmaler. Das eingefallene Antlitz des Schwarzfußes war weder regelmäßig noch schön, aber es war ungewöhnlich, und die gut ausgebildete Stirn zeugte von einem hohen Verstand.
    »Donner vom Berge mag fragen«, nahm der Dakotahäuptling das Gespräch auf. »Ich antworte ihm.«
    Der Schwarzfuß hatte bei der Anrede den Blick auf Tokei-ihto gerichtet.
    »Ich freue mich, dich, meinen Bruder, wiederzusehen«, sagte er. »Die Zungen unserer Männer werden nicht müde, von deinen Taten zu berichten und über die Geheimnisse deines Lebens zu flüstern. Ich sehe aber auch, daß Stein mit Hörnern, der Sohn Mattotaupas, wieder in die Zelte der Dakota gegangen ist.«
    Donner vom Berge hatte mit Ruhe gesprochen. Tokei- ihto fühlte den fragenden Vorwurf in dem letzten Satz. Der Schwarzfuß hatte es vor vier Sommern nicht anders gewußt, als daß Mattotaupa und sein Sohn geächtet waren. Er mußte jetzt glauben, daß Tokei-ihto die Sache seines Vaters verraten habe, um zu den Dakota zurückzukehren.
    Während Tokei-ihto um die Antwort kämpfte, war Ohitika herbeigekommen und hatte sich zwischen den beiden Männern auf den Decken niedergelegt. Mit gespitzten Ohren sah er auf den Fremden, der ihm leise pfiff.
    »Kennst du ihn noch?« fragte Tokei-ihto.
    »Ja.« Der Schwarzfuß fuhr mit seiner wieder gebrauchsfähigen Rechten dem Tier über das schwarze Fell. »Als ich ihn dir gab, war er klein und hatte noch kaum den ersten Brocken Fleisch gefressen.«
    »So war es. Er ist stark geworden und hat für mich gekämpft. Wenn ich ihn sah, dachte ich an Donner vom Berge.«
    »Auch ich habe oft an dich gedacht.« Donner vom Berge ließ die Hand auf dem Rücken des Hundes ruhen.
    Tokei-ihto schaute in die Nacht hinaus. »Viel ist geschehen, was du nicht weißt, mein Bruder. Mattotaupa ist tot.«
    »Was sagst du da? Starb er von der Hand eines Feindes?«
    »Der hat ihn getötet, den sie Red Fox nennen.«
    »Red Fox? Mattotaupa hat ihn in unseren Zelten seinen Bruder genannt.«
    »Ja, der war es.«
    Der Schwarzfuß scheute sich, mit Worten zu forschen. Er schaute Tokei-ihto an.
    »Ich bin der Sohn eines Verräters«, sprach der Häuptling langsam. »Mattotaupa war nicht unschuldig.«
    Der Schwarzfuß schwieg erst. »Das hat dein Vater nicht gewußt«, sagte er dann. »Er war kühn und wahrhaftig. Es muß ein Zauber gewesen sein.«
    »Ja, der Zauber, der in einem Becher geheimnisvollen Wassers gewohnt hat; damit hat Red Fox meinen Vater überlistet und diesen großen und edel denkenden Krieger entwürdigt. Die weißen Männer sind gekommen. Sie haben die Männer der Dakota und ihre Weiber und Kinder betrogen, getötet oder vertrieben und sie endlich in einem kümmerlichen Land eingepfercht. Mit den Kriegern der Bärenbande bin ich geflohen, und die Langmesser verfolgen uns. Wir wandern über den Missouri.«
    »So geh in unser Zelt; mein Vater wird dich mit Freuden begrüßen. Ja!« Donner vom Berge sprach schneller, und seine Stimme verriet das starke Gefühl, das ihn bewegte. »Nimm unsere Weiber und Kinder mit, darum bitte ich dich. Das ist gut so, denn ich …«, der Siksikau stockte,
    »ich kann nicht mehr zurück.«
    »Was ist geschehen?« – Der Schwarzfuß antwortete nicht. Seine Miene war hart geworden, und er sah auf Tschetansapa.
    Auch Tokei-ihto wandte sich seinem Krieger zu. »Willst du Donner vom Berge die Waffen wiedergeben?«
    Schwarzfalke erhob sich und ging, um die Beute, die er gemacht hatte, aus seinem Zelt zu holen. Als er wiederkehrte, legte er die Waffen vor dem Siksikau nieder.
    »Tschetansapa, der Sohn des Sonnenregen, hat mich gebeten, dir zu sagen, daß er dein Bruder sein will«, erklärte Tokei-ihto dem Schwarzfuß.
    Die Hand des Häuptlingssohnes zuckte nach den Waffen, die er im Kampf verloren hatte, und verkrampfte sich in der Luft, ehe er sie faßte.
    »Unsere Feinde sind nicht weit«, sprach Tokei-ihto weiter, »und der Mörder Mattotaupas führt sie. Wollen wir wieder Brüder sein?«
    »Ja.«
    Der Siksikau griff zu, nicht rasch, sondern, sich selbst überwindend, mit einer langsamen, steifen Gebärde. »Du hattest recht, mein Bruder, mit dem, was du einst zu unserem Geheimnismann gesagt hast, obgleich es dich damals fast das Leben kostete.«
    »Gut«, schloß Tokei-ihto. »Das Beil ist begraben, und die Pfeife des Friedens wird von Mund zu Mund gehen. Schwarzfalke hat dreimal gesiegt. Er hat das Langmesser Roach überlistet, er hat den Männern der Schwarzfüße gezeigt, daß ein Krieger

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