Über den Missouri
um das Leben Tokei-ihtos gebangt, der bei dem Sonnenkult unmenschliche Proben zu bestehen gehabt hatte. Die Schwestern der Häuptlinge und Blutsbrüder fanden sich jetzt in schweren Tagen wieder, und ohne daß sie noch miteinander gesprochen hatten, fühlten sie sich eins.
Als Mond und Sterne gewandert waren und die Nacht ihre Mitte überschritten hatte, war das Lager verschwunden.
Weitab aber gegen Nordwesten zu schritten die Lasttiere, eines hinter dem anderen in langem Zug. Frauen und Kinder saßen auf den Pferden und Maultieren hinter den gekreuzten Spitzen der Zeltstangen, deren schleifende Enden die Körbe und Decken mit Hab und Gut trugen. Vor dem Zug schwärmte die Schar der Krieger auf den Mustangs umher, am Ende trottete das Rudel der Hunde. Man war jetzt wieder reich an Pferden, und die Lasten der Tiere waren leicht; schnell ging es durch die grasigen Täler hindurch. Von den Höhen klangen die Tierstimmen der Späher, Eulenschrei und Kläffen. Noch war der Weg frei.
»Ihr dürft nicht sterben!«
Der Südwind wehte die ganze Nacht. Die Kinder der Prärie rochen das Schmelzwasser aus den Bergen und den trüben Duft überfluteter Wiesen. Am Himmel zogen Wolken auf, aber der Mond stieg und trieb die schwarzen Fetzen auseinander. Fern und rein schimmerte die Milchstraße.
Als der Mond verblichen war und die Dämmerung heraufzog, legte sich der Wind. Totenstill stand die Luft über dem Land, und die Vögel sangen nicht. Am östlichen Horizont glühte der Sonnenball. Der Zug hielt, und Hawandschita hob vor aller Augen die heilige Pfeife in die Höhe. Verloren klangen seine Worte in die Morgenstille. Es waren dieselben Worte, die die Männer der Dakota bei jedem Sonnenaufgang sprachen: »… wir danken dir, heiliger Unbekannter, daß du uns geführt hast, und wir bitten dich, daß du uns weiter führest und uns Nahrung gebest und Frieden.«
Die heilige Pfeife wurde gesenkt.
Männer und Frauen waren zu einer kurzen Rast abgestiegen. Die Pferde, denen die Rippen durch das Winterfell schauten, begannen sofort zu weiden. Die Wassersäcke wurden herumgereicht; Frauen und Kinder nahmen einen Bissen Fleisch zwischen die Zähne, um langsam und lange daran zu kauen. Die Vorräte gingen zur Neige, und bis zum Abend würde es nichts mehr geben.
Zwei rabenschwarze Wolfshunde bissen sich, Ohitika und der Leithund des Rudels, das mit der Gruppe des Siksikau gelaufen war. Die Frauen dachten erst, es ginge nur um einen Knochen. Als die Hunde einander immer weiter zusetzten, wollte Blitzwolke mit der Peitsche dazwischenfahren, aber Uinonah legte ihr die Hand auf den Arm.
»Laß«, sagte sie, »es sind Brüder, die miteinander kämpfen. Sie müssen sich selbst einigen.«
Der Wanderzug hatte in dem Wiesental gerastet wie eine lange Schlange, die sich in der Morgensonne wärmt. Jetzt geriet er wieder in Bewegung. Die Krieger ritten im Schritt herbei und reihten sich rechter Hand des Transportzuges hinter ihrem Häuptling ein. Pferd hielt hinter Pferd in genau ausgerichteter Reihe. Der Abstieg aus den Hügeln in die Ebene begann, und niemand wußte, wann feindliche Reiterscharen auftauchen und die Dakota zum Gefecht zwingen würden. Die Hunderudel folgten den Reitern. Zerbissen, aber friedfertig trotteten die beiden Leithunde an der Spitze, Ohitika voran.
Noch einmal erklang von der Kuppe der vorgelagerten Anhöhe das Signal des Spähers, daß der Weg frei sei. Dann bog Tokei-ihto um den letzten Hügel, und der Blick über die Ebene tat sich mit einem Schlag auf.
Die Krieger schlossen die Augen zu schmalen Schlitzen, denn sie spähten unausgesetzt der blendenden Sonne entgegen. Wenn Feinde kamen, so waren sie von Osten her zu erwarten. Die Kundschafter verschwanden im Laufschritt. Chef de Loup führte sie.
Weiter und weiter ging es durch das stille Land. Tokei- ihto lauschte und spähte.
Um die Mittagszeit sah er in der Ferne etwas im Gras huschen, was auf den Zug zusteuerte. Es war Chef de Loup. Hapedah ritt schon herbei und brachte dem Zurückkehrenden seinen Scheckhengst; der Delaware stieg auf und ließ sein Pferd neben dem des Häuptlings gehen.
»Red Fox hat die List des Bibers jetzt durchschaut«, sagte der Delaware dabei mit halber Stimme. »Er ist mit den Milahanska zu dem nächsten Fort zurückgeritten, aber als er dort feststellte, daß wir auch da nicht zu finden sind, begriff er, daß der Biber ihn durch die Aussage Tatokanos an der Nase herumgeführt hat. Er wollte die Milahanska
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