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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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der Dakota seine Waffen zu führen weiß, und er hat zu neuen Gedanken gefunden und Donner vom Berge unseren Bruder werden lassen. Seine letzte Tat ist seine größte Tat, denn sie ist das Beispiel, nach dem unsere Söhne ein neues Leben beginnen können. Die Männer der Dakota werden den Namen Tschetansapa immer mit Stolz nennen. Der Geist des Alten Raben aber wird versöhnt werden. Sein Blut und das Blut des aus Rache geopferten Kriegers der Siksikau sollen das letzte sein, das zwischen der Bärenbande und ihren Brüdern auf der Prärie geflossen ist. Hau.«
    Der Krieger dankte seinem Häuptling schweigend.
    Uinonah brachte die heilige Pfeife, die Tokei-ihto mit Bedacht stopfte. Er entzündete sie, und sie ging unter vollständigem Schweigen von Mund zu Mund. Die vier Männer, die sie rauchten, stammten aus drei verschiedenen Stämmen, die mächtig und stolz gewesen waren in der Freiheit des großen Landes: die Delawaren an der Küste der aufgehenden Sonne, die Dakota in den Prärien der Abendsonne und die Siksikau im Lande des Nordsturms.
    Als Uinonah die Pfeife wieder verwahrt hatte, begann Donner vom Berge seinen Bericht, auf den die Dakota gewartet hatten. Er war kurz.
    »Ihr seid aus euren Jagdgründen vertrieben«, sagte er, »und wir werden aus den unseren verjagt. Auch für uns Siksikau ist die Reservation schon abgemessen.«
    »Eure Häuptlinge unterwerfen sich?«
    Tokei-ihto fragte, als ob es um eine fremde und ferne Sache ginge.
    »Unsere Häuptlinge, Zaubermänner und Ältesten raten zum Frieden. Der Rat gefiel uns Jungen schlecht. Darum bin ich ausgezogen, um andere Jagdgründe zu suchen. Die Prärien der Dakota schienen leer geworden zu sein. Wir ritten, jagten Antilopen und Elche und wanderten, wie es uns gefiel. Was dann geschah … weißt du.«
    Die Nachrichten trafen Tschetansapa zu überraschend und zu hart. Er konnte nicht mehr an sich halten. Kurz lachte er auf, grell, als ob sein Denken plötzlich gestört sei. »Wir fliehen zu euch, und ihr flieht zu uns. Männer ohne Verstand und ohne Mut sind wir geworden! Das habe ich dir schon bei den Schwarzen Bergen gesagt, Tokei-ihto.«
    »Hau, du hast es gesagt.« Der Häuptling gab sich lange stumm seinen Gedanken hin, ehe er fortfuhr: »Dein Rat war damals so schlecht wie heute.«
    »Weißt du einen Weg?«
    »Ja. Wir kaufen uns Land. Denkst du noch daran, Tschetansapa, was wir in meinem Zelt besprochen haben, in jener Nacht, in der Monito und Red Fox von mir Gold erpressen wollten? Jetzt wird es Zeit, für Gold Land einzutauschen. Ich bin der Sohn Mattotaupas.«
    »So viel Land, daß wir jagen können?«
    »Nein, aber genug, um gefleckte Büffel zu züchten und Feldfrüchte zu bauen.«
    »Wie die Weiber und Watschitschun.«
    »Wie unsere Vorväter, die in fruchtbarer Erde Mais und Tabak bauten.«
    »Mein Vater Sonnenregen war ein Büffeljäger und ein Krieger, wie auch ich es geworden bin. – Weiß Hawandschita schon von deinen Gedanken?«
    »Nein.«
    »So hüte dich vor ihm. Er war noch nie dein Freund.«
    »Aber du, Tschetansapa, bist es. Du wirst es bleiben.«
    Es war alles gesagt, was wichtig schien.
    »Um Mitternacht brechen wir auf«, ließ der Häuptling die Krieger wissen. »Bis dahin ruhen wir noch.«
    Die beiden Gäste gingen.
    Tokei-ihto und Donner vom Berge legten sich auf die Decken und Felle. Ohne davon zu sprechen, erinnerten sich beide daran, wie oft sie als Knaben zusammen im gleichen Zelt geschlafen hatten. Ohitika kam herbei und leckte dem Fremden die Hand, ehe er sich zu Haupten seines Herrn zusammenrollte.
    Die Zeltwände blieben aufgeschlagen. Draußen strich der Wind stärker um das Gras. Der Strom brüllte in der Mondnacht, und das krachende Eis schimmerte in mattem Glanz zwischen den schmutzigen Wogen, die aus den Spalten zwischen den Eisschollen hervordrangen. Die Pferde waren vom Ufer zurückgewichen und zu den Zelten gekommen. Menschliche Gestalten tauchten auf, schweigend und mit gesenktem Kopf. Es waren die Söhne des Alten Raben, die ihren Vater bestatteten.
    Sitopanaki und Spottdrossel saßen vor den Zelten bei dem toten Knaben, der in der Decke aufgebahrt war. Zu ihnen kamen Uinonah und Untschida. Die Frauen klagten gemeinsam, aber das Lied blieb unhörbar für Feinde. Nur die Lippen der Trauernden bewegten sich. Uinonah legte den Arm um Sitopanakis Schultern. Die beiden Mädchen kannten sich seit jenem großen Fest, an dem Tokei-ihto und Donner vom Berge durch den Sonnentanz gegangen waren. Sie hatten miteinander

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