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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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oder einer Bucht, die ihnen Schutz bieten könnte. Anfangs schien es, als gebe es nichts derartiger; das ANTLITZ erwies sich als langgestrecktes unerreichbares und abweisendes festes Land.
    Dann schoß das Schiff urplötzlich durch die Brandungslinie und geriet in ruhiges Wasser: eine heitere Bucht zwischen zwei vorstrebenden von steilen Bergzinnen gekrönten Landzungen. Der heitere erste Eindruck war jedoch trügerisch und von kurzer Dauer. Augenblicke nach ihrer Ankunft begann das Wasser zu steigen und zu brodeln. In dem mahlenden Strudel stiegen dichte schwarze Stränge eines Gewächses auf, das aussah wie Riementang, herauf und peitschten das Meer wie die düstren Extremitäten von Ungeheuern, und zwischen ihnen schoben sich bedrohliche speerähnliche Auswüchse hervor, die Wolken eines unheimlichen grellgelben Rauchs ausstießen. Und am Ufer schien das Terrain sich in Krämpfen zu winden.
    Lawler war erschöpft. In ihm begannen wirre Bildimaginationen, quälend rätselhafte, abstrakte Eindrücke. In seinem Hirn tanzten unbekannte Konturen. Er spürte hinter dem Stirnbein ein ärgerliches ungreifbares Jucken und preßte die Hände an die Schläfen. Es half nicht.
    Delagard stapfte brabbelnd und in Gedanken versunken übers Deck. Nach einer Weile befahl er, das Schiff zu wenden, und steuerte es durch die Brecher wieder aus der Bucht hinaus. Sobald sie im freien Wasser waren, wurde es in der Bucht wieder still, und sie sah wieder genauso einladend aus wie zuvor.
    »Versuchen wir’s nochmal?« fragte Felk.
    »Nicht hier«, knurrte Delagard mürrisch. Seine Augen blitzten vor kalter Wut. »Vielleicht ist das keine gute Stelle. Wir fahren westwärts weiter.«
    Aber die Küste weiter westlich erwies sich als wenig einladend, sie war steil, rauh und wild. Der Wind trug einen scharfen stechenden Brandgeruch heran. Vom Land stiegen feurige Funken auf. Es war, als brenne die Luft selber. Hin und wieder prallten ihnen Wogen einer überwältigenden telepathischen Kraft von der Insel her entgegen, kurze plötzliche Stöße, die mentale Verwirrung und Diskoordination auslösten. Die Mittagssonne wirkte ausgeblichen und geschwollen. Und nirgendwo schien es eine Bucht zu geben oder einen Einschnitt. Nach einiger Zeit kam Delagard, der sich unter Deck begeben hatte, zurück und verkündete mit gepreßtem, bitterem Ton, daß er - vorläufig - davon Abstand nehmen werde, näher an Land zu kommen.
    Sie zogen sich an eine Stelle weit außerhalb der mahlenden Brandung zurück, wo das Wasser flach und seicht war und von Farbbändern durchzogen, die von einem schimmernden Sandbett heraufgespiegelt wurden. Hier warfen sie Anker aus, zum erstenmal seit Beginn der Reise.
    Lawler gesellte sich zu Delagard, der an der Reling lehnte und in die Ferne starrte.
    »Na? Was hältst du jetzt von deinem Paradies, Nid? Von deinem Land, in dem Milch und Honig fließen?«
    »Es wird uns gelingen, einen Weg hinein zu finden. Wir sind einfach von der falschen Seite her rangekommen, das ist alles.«
    »Du willst also tatsächlich da an Land?«
    Delagard wandte sich ihm zu und sah ihn an. Die blutunterlaufenen Augen wirkten in dem flirrenden Licht ringsum seltsam verändert und sahen vollkommen ausdruckslos und wie tot aus. Als er dann aber sprach, war die Stimme so fest wie eh und je. »Nichts, was ich bisher gesehen habe, hat im geringsten meine Meinung über irgendwas verändert, Doc. Hier ist das Land, wo ich sein will. Es ist Jolly gelungen, hier an Land zu gehen, also wird es auch uns gelingen.«
    Lawler antwortete nichts darauf. Es fiel ihm nichts ein, was er hätte sagen können, was nicht bei Delagard einen wahnsinnigen Tobsuchtsanfall ausgelöst hätte.
    Dann aber grinste der Reeder, beugte sich zu ihm her und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. »Doc! Ach, Doktorchen! Schau doch nicht so begräbnisernst drein! Klar, es sieht hier ziemlich wüst aus. Natürlich. Wieso hätten sich die Kiemlinge sonst die ganze Zeit von hier ferngehalten? Und natürlich kommt uns das Zeug, das von da drüben zu uns rüberweht, fremd vor. Wir sind es halt einfach nicht gewohnt. Aber das bedeutet ja nicht, daß wir uns davor fürchten müßten. Es handelt sich um nichts weiter als um ziemlich ausgefallene optische Effekte. Bloßer dekorativer Verpackungszauber: Völlig bedeutungslos. Hat nicht das geringste zu sagen.«
    »Es freut mich; daß du dir deiner Sache so sicher bist.«
    »Ja. Ich freu mich auch. Hör zu, Doc, hab doch endlich Vertrauen. Wir

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