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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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sehen. Die Hofleute erholen sich von ihrer Besorgniß, als sie hören, daß Prinz Zerbino, nachdem er von seinen Reisen zurückgekommen, und durch die Erfahrung belehrt worden, verspricht, sich nicht mehr mit den schönen Künsten, der Poesie, den überspannten Gefühlen abzugeben, kurz nichts zu thun, was dem Egoismus den Sieg über den Enthusiasmus erschweren könnte.
    Die meisten Menschen fürchten auf der Welt nichts so sehr, als für Gimpel gehalten zu werden. Es ist in ihren Augen weit weniger lächerlich, sich bei allen Gelegenheiten mit sich selbst beschäftiget, als in einer einzigen, sich von Andern hinters Licht geführt zu zeigen. Folglich liegt Witz und eine lobenswürdige Anwendung des Witzes, im Spotte über alles, was persönliche Berechnung heißt. Vom calculirenden Geiste wird immer so viel bleiben, als zum Umtriebe in der Welt erforderlich ist; hingegen dürfte von einer höheren Natur alles, selbst das Andenken, in kurzer Zeit ganz von der Erde verschwinden.
    In Tiek's Lustspielen trifft man eine Laune an, die aus den Charakteren selbst entspringt, und nicht in witzigen Epigrammen besteht; eine Laune, worin die Phantasie vom Spotte unzertrennbar ist; nur läßt auch bisweilen diese Phantasie das Komische verschwinden, und schiebt lyrische Poesie und Scenen ein, wo man nichts als in Handlung gesetzte Lächerlichkeiten erwartete. Den Deutschen fällt es überaus schwer, sich in ihren Geisteswerken nicht schwankenden Träumereien hinzugeben; gleichwohl ist dieser Gemüthsrichtung nichts so fremd, als das Lustspiel und überhaupt das Theater. Unter allen Gefühlen ist die Träumerei das einsamste; kaum läßt sich, was wir träumend dachten, dem innigsten Freunde mittheilen; wie sollte es möglich seyn, die versammelte Menge Theil daran nehmen zu lassen?
    Zu den allegorischen Stücken muß man den Triumph der Empfindsamkeit , ein kleines Schauspiel Göthe's rechnen, worin er äußerst sinnreich die doppelte Lächerlichkeit des gespielten Enthusiasmus, und der wirklichen Nullität aufgestellt hat. Die Hauptperson des Stücks scheint für alle Ideen eingenommen zu seyn, die eine starke Phantasie und ein tiefes Gemüth voraussetzen; gleichwohl ist er im Grunde nichts mehr als ein guterzogener, überaus artiger, an Convenienz klebender Prinz; nur hat er sichs beikommen lassen, mit diesen guten Eigenschaften eine erborgte Empfindsamkeit zu verbinden, der man das Bestellte, das Erkünstelte im ersten Augenblick ansieht. Er bildet sich ein, er liebe die düstern Wälder, den Mondschein, die sternenhellen Nächte; da er sich aber vor Kälte und Ermüdung fürchtet, so hat er Decorationen malen lassen, die diese verschiedenen Gegenstände vorstellen, und läßt sich auf seinen Reisen von einem großen Rüstwagen begleiten, der die Naturschönheiten ihm mit Extrapostpferden nachfahren muß.
    Dieser sentimentale Prinz bildet sich ferner ein, er sey in ein Frauenzimmer verliebt, dessen Geist und Talente ihm sehr gerühmt worden waren; um ihn auf die Probe zu stellen, setzt dieses Frauenzimmer eine verschleierte Gliederpuppe an ihren Platz, die, wie man denken kann, nie ein unschickliches Wort sagt, und deren Stillschweigen in den Augen des Prinzen für die Zurückhaltung des guten Geschmacks, und die trübsinnige Schwärmerei einer zarten Seele gilt.
    Der Prinz, über eine Gefährtin entzückt, die allen seinen Wünschen entspricht, wirbt um die Gliederpuppe, und erfährt nun ganz zuletzt, daß er unglücklich genug war, eine wahre Gliederfrau zur Gattin gewählt zu haben, während sein Hof ihm so viel Schönen aufstellte, die diese Rolle eben so gut gespielt haben würden.
    Gleichwohl, (wer wollte es leugnen?) reichen diese sinnreichen Ideen nicht zu einem guten Lustspiele hin; die Franzosen haben, im Fach des Komischen, einen ausgemachten Vorzug vor allen übrigen Nationen. Die Menschenkenntniß, und die Kunstfertigkeit von dieser Kenntniß Gebrauch zu machen, sichert ihnen, in dieser Hinsicht, die erste Stelle; nur ließe sichs bisweilen wünschen, selbst in Moliere's vorzüglichsten Stücken, daß die überlegte Satyre weniger, und die Phantasie mehr Platz einnähme. Unter den Stücken Molieres nähert sich der Festin de Pierre (Don Juan) dem deutschen Systeme am meisten; ein schauderhaftes Abentheuer dient den komischsten Situationen zum Hebel; die größten Wirkungen der Phantasie vermischen sich mit den treffendsten Schattirungen der Spötterei. Dieser eben so geistreiche als poetische Stoff ist der

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