Ueber Deutschland
warum; denn dies: Ich weiß nicht warum ist das Ganze, und die Harmonie, die wir erkennen durch Liebe, durch Bewunderung, durch alle die Gefühle, welche uns das, was in dem Herzen eines Anderen am tiefsten und verborgensten liegt, offenbaren.
Da die Analysis nur theilend erforschen kann, so fällt sie wie das Zergliederungsmesser über die todte Natur her. Aber dies ist ein schlechtes Werkzeug, wenn man das Lebendige kennen lernen will; und wenn man Mühe hat, durch Worte den lebendigen Begriff, der uns die Gegenstände in ihrer Ganzheit darstellt, zu definiren, so rührt dies daher, daß dieser Begriff dem Wesen der Dinge ungleich verwandter ist. Theilen um zu begreifen, ist in der Philosophie ein Beweis von Schwäche, wie in der Politik theilen, um zu regieren.
Bacon hielt bei weitem mehr, als man glaubt, auf die idealistische Philosophie, welche von Platon an bis auf unsere Zeiten unter verschiedenen Gestalten beständig wieder zum Vorschein gekommen ist. Nichtsdestoweniger hat der Erfolg seiner analytischen Methode in den strengen Wissenschaften nothwendig auf sein System in der Metaphysik Einfluß gehabt. Man hat seine Lehre von den Sensationen, als Ursprung der Ideen betrachtet, bei weitem absoluter aufgefaßt, als er sie dargestellt hatte. Den Einfluß dieser Lehre können wir deutlich wahrnehmen durch die beiden Schulen, die sie erzeugt hat: die von Hobbes und die von Locke. Ganz gewiß unterscheiden sich beide gar sehr dem Zwecke nach; aber ihre Principe sind in mehreren Hinsichten dieselben.
Hobbes nahm die Philosophie, welche alle unsere Ideen von den Eindrücken der Sinne abstammen läßt, ganz buchstäblich; er fürchtete die Folgerungen derselben nicht, und sagte ganz kühn: die Seele ist der Nothwendigkeit unterworfen, wie die Gesellschaft dem Despotismus Er gestattet also den Fatalismus der Sensationen für den Gedanken, und den der Stärke für die Handlungen; er vernichtet die bürgerliche Freiheit, indem er mit Recht glaubt, daß beide von einander abhängen. Auf diese Weise war er Atheist und Sklave, und nichts ist konsequenter; denn wenn in dem Menschen nichts weiter ist, als das Gepräge der Eindrücke von außen her, so ist die irdische Macht alles, und die Seele hängt davon eben so sehr ab, als das Geschick.
Durch politische und religiöse Institutionen ist in England die Verehrung aller erhabenen und reinen Gefühle dergestalt gesichert, daß die Spekulationen des Geistes sich um diese majestätischen Säulen drehen, ohne sie jemals zu erschüttern. Hobbes fand also in seinem Vaterlande sehr wenig Anhänger. Dagegen war Locke's Einfluß weit allgemeiner. Da sein Charakter moralisch und religiös war, so erlaubte er sich keines von den verderblichen Raisonnements, welche nothwendig von seiner Metaphysik abflossen; und die meisten seiner Landsleute haben, indem sie ihm beitraten, die edle Inkonsequenz gehabt, die Resultate von den Principen zu sondern, während Hume und die französischen Philosophen, nachdem sie das System zugelassen hatten, es auf eine weit logischere Weise angewendet haben.
Locke's Metaphysik hat auf die Geister in England keine andere Wirkung hervorgebracht, als daß sie ihre natürliche Originalität ein wenig verdunkelt hat; selbst wenn sie die Quelle der großen philosophischen Gedanken austrocknen sollte, so würde sie das religiöse Gesicht nicht zerstören, das sie so gut ersetzet. Aber in dem übrigen Europa, mit Ausnahme von Deutschland, angenommen, ist diese Metaphysik eine von den Hauptursachen der Immoralität gewesen, die man zu einer Theorie erhoben hat, um ihre Ausübung desto mehr zu sichern.
Locke hat sich vor allen Dingen angelegen seyn lassen, darzuthun, daß in der Seele nichts Angebornes sey. Er hatte Recht, weil er mit dem Sinne des Wortes Idee immer eine durch die Erfahrung erworbene Entwickelung verband. So gefaßt, sind die Ideen das Resultat der Gegenstände, die sie anregen, der Vergleichungen, welche sie sammeln, und der Sprache, welche ihre Verbindung erleichtert. Allein so verhält es sich nicht weder mit den Gefühlen, noch den Anlagen, noch den Vermögen, welche die Gesetze des menschlichen Verstandes eben so konstituiren, wie die Attractions- und Antriebskraft die der physischen Welt.
Höchst merkwürdig sind die Argumente, die Locke genöthigt gewesen ist, zu gebrauchen, um uns zu beweisen, daß alles, was in der Seele vorgeht, von den Sensationen herrühre. Führten diese Argumente zur Wahrheit, so würde man ohne Zweifel den
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