Ueber Deutschland
den Völkern des Nordens immer sehr offenbar gewesen, und selbst vor der Einführung des Christenthums zeigte sich diese Neigung bey aller Heftigkeit kriegerischer Leidenschaften. Die Griechen glaubten an äußerliche Wunder; die germanischen Nationen glaubten an die Wunder des Gemüths. Alle ihre Poesieen sind voll von Vorgefühlen, Ahnungen, Prophezeihungen des Herzens, und während die Griechen sich durch die Freude mit der Natur vereinigten, erhoben sich die Bewohner des Nordens zum Schöpfer durch religiöse Gefühle. In den mittäglichen Erdstrichen vergöttlichte das Heidenthum physische Erscheinungen; im Norden war man geneigt an die Zauberei zu glauben, weil sie dem Menschen eine gränzenlose Macht über die materielle Welt zuschreibt. Das Gemüth und die Natur, der Wille und die Nothwendigkeit, theilen sich in die Domäne des Daseyns, und je nachdem wir die Kraft außer uns setzen, oder in uns selbst annehmen, sind wir Söhne des Himmels oder Sklaven der Erde. Beim Wiedererwachen der Wissenschaften und Künste beschäftigten sich die Einen mit den Spitzfindigkeiten der Schule in metaphysischen Dingen, die Andern glaubten an die Wahnbegriffe der Magie in den Wissenschaften: die Kunst zu beobachten herrschte eben so wenig in dem Gebiet der Sinne, als der Enthusiasmus in dem Gebiet des Gemüths, und mit sehr wenigen Ausnahmen gab es für die Philosophen weder Erfahrung, noch Begeisterung. Ein Riese trat auf; es war Bacon. Nie sind die Wunder der Natur und nie die Entdeckungen des Gedankens von demselben Verstande so gut aufgefaßt worden. In seinen Werken giebt es keine Phrase, welche nicht ein jahrelanges Nachdenken verräth. Er belebt die Metaphysik durch die Kenntniß des menschlichen Herzens, er weiß Thatsachen durch die Philosophie zu verallgemeinern. In den physischen Wissenschaften hat er die Kunst der Erfahrung geschaffen; aber daraus folgt gar nicht, wie man hat glauben machen wollen, daß er entschiedener Anhänger des Systemes gewesen sey, das die Ideen auf Sensationen stützt. Er läßt die Eingebung in allen Dingen zu, die vom Gemüth abhängen; er glaubt sogar, sie sey nothwendig, um die physischen Erscheinungen nach allgemeinen Grundsätzen zu erklären. Allein zu seinen Zeiten gab es noch Alchymisten, Wahrsager und Zauberer; man verkannte die Religion in dem größten Theile von Europa noch so sehr, daß man glaubte, sie untersage die eine und die andere Wahrheit; sie, welche zu allen Wahrheiten leitet. Bacon war von diesen Irrthümern betroffen; sein Jahrhundert neigte sich eben so sehr zum Aberglauben, wie das unsrige zum Unglauben. In jener Zeit, wo Bacon lebte, müßte er die Erfahrungs-Philosophie zu Ehren zu bringen suchen; in der gegenwärtigen Zeit würde er nur das Bedürfniß fühlen, die innere Quelle des moralisch Schönen zu beleben, und den Menschen unablässig daran zu erinnern, daß er in sich selbst, in seinem Gefühl, in seinem Willen existirt. Ist das Jahrhundert abergläubig, so ist der Genius der Beobachtung furchtsam, und die physische Welt wird wenig gekannt; ist das Jahrhundert ungläubig, so giebt es keinen Enthusiasmus mehr, nichts weiß man weder vom Gemüth, noch vom Himmel.
Zu einer Zeit, wo der Gang des menschlichen Geistes in keiner Gattung gesichert war, nahm Bacon alle seine Kräfte zusammen, um die Bahn zu zeichnen, welcher die Erfahrungs-Philosophie folgen sollte, und noch gegenwärtig dienen seine Schriften denen zu Wegweisern, welche die Natur studiren wollen. Als Staatsmann hatte er sich lange mit Verwaltung und Politik beschäftigt. Die stärksten Köpfe sind die, welche die Lust und Gewohnheit des Nachdenkens mit der Geschäfts-Praxis verbinden. In beiderlei Beziehung war Bacon ein außerordentlicher Geist; aber seiner Philosophie fehlte, was seinem Charakter abging: er war nicht tugendhaft genug, um die moralische Freiheit des Menschen ganz rein zu fühlen. Bei dem allen kann man ihn nicht mit den Materialisten des abgewichenen Jahrhunderts vergleichen, und seine Nachfolger haben die Theorie der Erfahrung weit über seine Absicht hinausgeführt. Ich wiederhole es, er ist weit davon entfernt, alle unsere Ideen Sensationen zuzuschreiben, und die Analyse als das einzige Werkzeug der Entdeckungen zu betrachten. Oft folgt er einem kühnen Gange; und wenn er sich an der Erfahrungs-Logik hält, um alle Vorurtheile wegzuräumen, die seine Bahn bedecken, so vertraut er, um weiter zu dringen, doch nur der Schwungkraft des Genies.
„Der menschliche Geist,“
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