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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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&ndash, diese Redlichkeit ist das Hauptverdienst seiner Schule; und gerade durch sie versammelt er um sich her Männer, welche sich dem Wohlergehn der Kinder auf eine vollkommen uneigennützige Weise widmen. Wenn in einer öffentlichen Anstalt von den persönlichen Berechnungen ihrer Vorsteher keine einzige befriedigt wird, so muß man die bewegende Kraft dieser Anstalt in der Tugendliebe suchen; die Genüsse, welche sie gewährt, können allein Macht und Reichthümer entbehren.
    Durch Verpflanzung der Pestalozzischen Methode würde man sein Institut noch nicht vervielfältigen; mit ihr müsste man die Beharrlichkeit der Lehrer, die Einfachheit der Schüler, die Regelmäßigkeit der Lebensweise, vor allem aber den religiösen Sinn verpflanzen, der diese Schule belebt. Die Eigenthümlichkeiten des Cultus werden hier nicht strenger beibehalten, als anderwärts; aber alles geschieht im Namen der Gottheit, im Namen jenes reinen, edlen und erhabenen Gefühls, das den religiösen Zustand des Herzens bezeichnet. Die Wahrheit, die Güte, das Vertrauen, die Liebe umgeben diese Kinder; dies ist die Atmosphäre, in welcher sie leben, und einen längeren Zeitraum hindurch bleiben ihnen alle feindseligen Leidenschaften und alle stolzen Vorurtheile der Welt vollkommen fremd. Ein beredter Philosoph Deutschlands, Fichte, hat gesagt: „er erwarte die Wiedergeburt der deutschen Nation von Pestalozzi's Institut.“ Wenigstens muß man eingestehn, daß eine auf solche Hebelkräfte gestützte Revolution, weder gewaltsam, noch reißend seyn würde; denn die Erziehung, wie gut sie auch seyn möge, ist nichts in Vergleichung mit dem Einfluß der politischen Elemente: Tropfenweise höhlt der Unterricht den Felsen aus, den der Bergstrom in einem Tage fortreisset.
    Huldigen muß man Pestalozzi, besonders für die Sorgfalt, die er angewendet hat, sein Institut mit dem Vermögenszustande unbemittelter Personen ins Gleichgewicht zu bringen; er hat die Pension so gering als möglich angesetzt. Mit großer Standhaftigkeit hat er sich der Armen angenommen, um ihnen die Wohlthat reiner Aufklärung und gründlichen Unterrichts zu verschaffen. Pestalozzi's Werke sind in dieser Hinsicht eine merkwürdige Lectüre; er hat Romane geschrieben, in welchen die Lagen von Leuten aus dem Volke mit vollendetem Interesse, Wahrheit und Moralität dargestellt sind.
    Die Gesinnungen, die er in diesen Schriften entwickelt, sind, so zu sagen, eben so elementarisch, als die Grundsätze seiner Methode. Man muß sich über sich selbst wundern, wenn man sich bei Thränen überrascht, die man um ein so einfaches, so alltägliches Wort und Detail vergießt, daß es bloß durch die Tiefe der Rührung Werth und Wichtigkeit erhält. Das niedere Volk steht in der Mitte zwischen den Wilden und den gebildeten Menschen; ist diese Classe tugendhaft, so trägt sie den Stempel einer Unschuldsgüte, die man in der großen Welt nicht antrifft. Die Gesellschaft lastet auf sie; sie ist mit der Natur im Kampf, und ihr Vertrauen auf Gott ist lebhafter, dauernder, als das der Reichen. Beständig vom Unglück bedroht, seine Zuflucht immer zum Gebete nehmend, jeden Morgen unruhig über sein Fortkommen, jeden Abend getröstet und gerettet, fühlt sich der Arme unter der unmittelbaren Hand desjenigen, der schützt, wen die Menschen verlassen haben, und die Rechtschaffenheit des Armen, sobald er rechtschaffen ist, ist ganz besonders gewissenhaft.
    Ich erinnere mich aus einem Pestalozzischen Roman, wie ein Kind einige gestohlene Erdäpfel auf Befehl seiner sterbenden Großmutter, dem Eigenthümer zurückgeben muß. Dieser so einfache Auftritt rührt das innerste Herz.. Ein so dürftiges Verbrechen, wenn ich es so nennen darf, erregt so brennende Gewissensbisse; das Feierliche des Todes mitten im Elend des gemeinen Lebens; das Alter und die Kindheit, einander nahe gebracht durch die Stimme Gottes, welche zu beiden zugleich spricht; dieses alles thut weh, sehr weh; denn in unsern gewöhnlichen poetischen Erdichtungen, benimmt der Prunk des Schicksals etwas von der Bitterkeit des Mitleidens, das aus dem Unglück entsteht; hier aber, in Pestalozzis Volksromanen, glaubt man ein schwaches Lämpchen zu sehen, das eine niedere Hütte bescheint, und die Herzensgüte tritt aus allen Leiden, die sie auf die Probe stellen, hervor.
    Da man die Zeichenkunst füglich unter die nützlichen Kenntnisse rechnen kann, so darf man sagen, daß unter allen Erholungskünsten, die in der Pestalozzischeu Anstalt erlernt

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